Interview

In einem Satz: Worum geht es in Ihrem Artikel?
Marco Seng: Wir erzählen die Geschichte des Krankenpflegers Niels Högel, der vermutlich die größte Mordserie im Nachkriegsdeutschland zu verantworten hat.

Karsten Krogmann: Wir erzählen aber auch von einem Klinik- und Justizskandal, von einem unfassbaren Versagen von Kontrollinstanzen und Ermittlungsbehörden.

Wie entstand die Idee zu Ihrem Beitrag, und wie haben Sie recherchiert?
Krogmann: Am Anfang stand ein Termin im Kalender: Ein Ex-Pfleger, der unter Mordverdacht steht, musste sich vor Gericht verantworten. Doch schnell stellte sich heraus, dass dahinter sehr viel mehr steckte. Im Verlauf des Prozesses stellten sich uns immer neue Fragen, auf die wir Antworten finden wollten.

Seng: Wir haben umfassend und hartnäckig in allen Bereichen recherchiert, wir haben mit allen Beteiligten gesprochen: mit Angehörigen, Polizei, Justiz, Kliniken, Patientenschützern, Psychologen. Wir haben Kollegen, Bekannte und Nachbarn des Täters befragt, seine Lebensgeschichte und seine möglichen Motive beleuchtet. Und wir waren natürlich auch an jedem Prozesstag im Gericht.

Vor welchen Herausforderungen standen Sie dabei?
Seng: Es war nicht leicht, die Unglaublichkeit dieses Verbrechens deutlich zu machen, die Dimension. Viele Menschen konnten oder wollten das anfangs buchstäblich nicht fassen.

Krogmann: Hinzu kam, dass die Auskunftsbereitschaft von Kliniken, Justiz und Polizei häufig nicht sehr groß war. Und das ist sie immer noch nicht: Die Ermittlungsbehörden halten uns auf Distanz, der Fall ist ja noch nicht abgeschlossen. Es werden immer noch Leichen ausgegraben und Zeugen befragt.

Von wem und wie wurden Sie dabei unterstützt?
Seng: Unsere Online-Redaktion, allen voran Amina Linke, Denis Krick und Timo Ebbers, hat uns bei der Erstellung der Multimedia-Reportage "Warum stoppte niemand Niels Högel?" geholfen.

Krogmann: Wir arbeiten nach wie vor eng mit den Kollegen zusammen. Die Online-Reportage muss stetig aktualisiert werden.

Was macht für Sie persönlich guten Journalismus aus?
Krogmann: Ein guter Journalist muss zuerst staunen können. Und dann muss er verstehen wollen: Er muss Fragen stellen und Antworten suchen.

Seng: Guter Journalismus muss hartnäckig sein. Er muss am Ball bleiben trotz aller Widerstände.

Was braucht ein herausragender Artikel?
Seng: Eine spannende Story, einen roten Faden, eine verständliche Sprache.

Krogmann: Er muss erzählt sein. Der Leser muss immer weiterlesen wollen.

Was erwarten Sie von der Preisverleihung am 7. September in Berlin?
Seng: Einen aufregenden Tag, an dem mal nicht Branchensorgen im Vordergrund stehen.

Krogmann: Ein Tag, an dem es endlich mal wieder allein um Journalisten und ihre Geschichten geht.