BDZV-Vorstandsvorsitzende zu ARD-Vorschlag: „Für wie naiv hält Herr Gniffke eigentlich die Verleger?“
Der ARD-Vorsitzende Kai Gniffke überraschte kurz vor einem wichtigen Treffen zur Rundfunkreform mit dem Vorschlag, die Öffentlich-Rechtlichen könnten sich mit einer Selbstverpflichtung dazu bereit erklären, ihre Textmenge im Internet freiwillig zu beschränken. Im Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) betonen die BDZV-Vorstandsvorsitzenden Matthias Ditzen-Blanke und Stefan Hilscher, warum sie dennoch eine gesetzliche Regelung für nötig erachten.
Im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa) brachte der ARD-Vorsitzende Kai Gniffke eine Selbstverpflichtung ins Spiel, um den anhaltenden Konflikt mit den Presseverlegern um die sogenannte Presseähnlichkeit ihrer Online-Angebote beizulegen. Er sagte: „Es könnte ein Game-Changer sein, wenn wir uns verpflichten zu sagen: Die Bezugsgröße für die Überprüfung, ob etwas presseähnlich ist, ist nicht mehr das Gesamtangebot, sondern jedes Teilangebot, also jede einzelne App.“
Gniffke brachte den neuen Vorschlag kurz vor einem wichtigen Treffen zur Rundfunkreform ein, bei dem die Anstalten unter anderem dazu angehalten werden sollen, weniger Texte zu produzieren und sich auf ihren eigentlichen Auftrag – Audio- und Videoinhalte – zu beschränken. Mit der Selbstverpflichtung möchte Gniffke nach eigenen Aussagen die Konflikte der vergangenen Jahre lösen. Allerdings nur unter einer Bedingung: Die Selbstverpflichtung könne man nur eingehen, wenn nicht der Medienstaatsvertrag gesetzliche Regelungen zum Thema Presseähnlichkeit treffe, so der ARD-Vorsitzende Gniffke im dpa-Gespräch.
Die BDZV-Vorstandsvorsitzenden Matthias Ditzen-Blanke und Stefan Hilscher erläutern nun in einem Interview mit der FAZ, was sie von dem Vorschlag halten. Sie heben hervor, dass es neu sei, dass Gniffke die Problematik der Presseähnlichkeit in diesem Ausmaß anerkenne, allerdings zweifeln sie an der Wirksamkeit des vorgeschlagenen Selbstverpflichtungsmodells. Frühere Verhandlungen seien gescheitert, und die Ernsthaftigkeit von Gniffkes Angebot sei fraglich. Auch der Zeitpunkt des Vorschlags komme ungelegen: „Hunderte Menschen aus Politik und Sendern beschäftigen sich über Monate mit diesem Vorschlag, der vielen Anliegen Rechnung zu tragen versucht. Und in wirklich allerletzter Minute wird diese Selbstverpflichtung aus der Tasche gezogen. Für wie naiv hält Herr Gniffke eigentlich die Verleger – und auch die Politiker, frage ich mich“, sagte dazu Stefan Hilscher.
Die beiden BDZV-Vorstandsvorsitzenden kritisieren zudem, dass die aktuellen Regelungen nicht ausreichend durchgesetzt werden, und fordern klarere gesetzliche Bestimmungen: „Die jetzt geltenden Regeln, die Presse vor der Marktstörung durch öffentlich-rechtliche Textangebote zu schützen, scheitern an der Interpretation und Auslegung der Anstalten. Dies vermochte auch Herr Gniffke in seiner Rolle als ARD-Vorsitzender bisher nicht zu verändern. Darum muss der Gesetzgeber nun klarer werden und eine Festschreibung machen, und das ist der eigentliche ,Game-Changer‘.“
Weiter betonte Ditzen-Blanke in der FAZ: „Die Bundesrepublik, das heißt die Gesetzgebung, ist verfassungsrechtlich dazu angehalten, die freie Presse zu schützen, und verfassungsrechtlich ist es aus unserer Sicht verboten, mit öffentlich-rechtlichen Textangeboten, die von allen durch den Rundfunkbeitrag finanziert werden, die Vielfalt und die Finanzierung der freien Presse zu beeinträchtigen.“
Besonders in Hinblick auf die App „Newszone“ des SWR kritisieren die beiden BDZV-Vorstandsvorsitzenden, dass die Verlage gezwungen worden seien, rechtliche Schritte gegen das Vorgehen des öffentlich-rechtlichen Senders einzuleiten. Hilscher: „Ich muss es mal so deutlich sagen: Kai Gniffke und der SWR haben sich so verhalten, dass unsere Kolleginnen und Kollegen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz – das ist ja das Sendegebiet, um das es hier geht – gezwungen sind, langwierige Rechtsverfahren zu führen. Das finden wir bedauerlich.“
Zudem wehren sich die beiden Vorstandsvorsitzenden der Verlegerorganisation gegen die Behauptung der ARD, dass die öffentlich-rechtlichen Textangebote keinen Einfluss auf die Presse hätten. „Wissenschaftliche Marktstudien bestätigen, dass sich öffentlich-rechtliche Textproduktion bundesweit, vor allem aber regional, negativ auf die Presse auswirkt. Die Regionalzeitungen werden besonders stark angegriffen“, so Hilscher und Ditzen-Blanke.
Insgesamt zeigen sich die Verleger skeptisch gegenüber Gniffkes Vorschlägen und fordern klare gesetzliche Regelungen, um die Marktverzerrungen durch öffentlich-rechtliche Textangebote zu verhindern.
Das vollständige Interview in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ ist hier nachzulesen (€).