Anna Petersen

Kurzbiographie der Nominiertin in der Kategorie Bestes lokales Stück 2021

Jahrgang 1993, war gerade erst volljährig, als sie zum Lokaljournalismus kam – und blieb. Während ihres Volontariats bei der Allgemeinen Zeitung in Uelzen entdeckte sie schnell ihre Leidenschaft für die Sozialreportage. Auch neben ihrem Studium der Kulturwissenschaften an der Leuphana Universität Lüneburg konnte sie es nicht lassen, freiberuflich mit Stift, Block und Gummistiefeln den Geschichten ihrer Umgebung nachzugehen. Seit September 2019 ist sie Redakteurin der Landeszeitung für die Lüneburger Heide. Ein Jahr zuvor wurde sie von der Jury der Fachzeitschrift Medium Magazin in die „Top 30 bis 30“ gewählt.

Anna Petersen
Philipp Schulze

Im Interview

Wie entstand die Idee zu Ihrem Beitrag und wie haben Sie recherchiert?

Die Idee zu dieser Geschichte kam mir, wie so oft, unverhofft: im Pferdestall. Seit ich denken kann, bietet meine Mutter therapeutisches Reiten für Kinder aus einem Wohnheim für Menschen mit einer Behinderung an. Oft habe ich zugeschaut, und oft habe ich mich gefragt, wie die Biografien dieser jungen Menschen wohl weitergehen würden. Wie viel Selbstständigkeit wird ihnen möglich sein? Welche Hürden begegnen ihnen? Und welche Unterstützung erfahren sie bei der Verwirklichung ihrer Träume und Ziele? Ich beschloss, diese Fragen journalistisch anzugehen und wandte mich an den Stadorf e.V., der Menschen mit einer Behinderung fördert. Der Verein stellte kurz darauf den Kontakt zu Julie her (Namen geändert). Planung im Vorfeld? Nur bedingt möglich. Ich wusste nahezu nichts über meine Protagonistin – nur, dass sie vor Kurzem ihre erste eigene Wohnung bezogen hatte. Das erste Treffen war also eine Art „Blind Date“. Dabei lernte ich eine Persönlichkeit kennen, die so viele Geschichten in sich trug, dass es mir sofort unter den Nägeln brannte, sie zu erzählen. Wir verabredeten je ein Treffen zu jeder Jahreszeit, um eine Entwicklung aufzeigen zu können. Dabei war es mir wichtig, Einblicke in Julies Alltag zu bekommen: Wo arbeitet sie? Wer begleitet sie? Wie interagiert sie mit anderen? Raus aus der Wohnung, rein ins Abenteuer.

Vor welchen Herausforderungen standen Sie dabei?

In Beiträgen über Menschen mit einer Behinderung erkenne ich oft zwei Muster: die Leidensgeschichte und die Heldengeschichte. Aber wird das der Realität gerecht? Mein Anspruch war es, eben nicht auf diesen ausgetretenen Pfaden zu wandern. Vieles von dem, was in Julies ersten acht Lebensjahren vorgefallen ist, konnte sie selbst kaum noch rekonstruieren – vielleicht, weil Julie noch zu jung war, vielleicht aber auch, weil ihre Gedächtnisleistung durch das „Passivtrinken“ Schaden genommen hat. Darum habe ich mich auf die Suche nach Weggefährten aus dieser Zeit gemacht. Das war sehr aufwendig – aber erfolgreich. Da hat sich das viele Telefonieren ausgezahlt. Auch für die Gespräche mit Julie habe ich mir viel Zeit genommen, oft mehrere Stunden. Sie musste ja auch mich erst einmal kennenlernen und Vertrauen fassen. Sie sprach zunächst nicht gern über ihre Schwierigkeiten: Alles längst Geschichte, alles kein Problem mehr! Mit der Zeit und vor allem in der Aktion – bei Spaziergängen, beim Pilzesammeln, beim Einkaufen – hat sie auch ihre verletzliche Seite gezeigt. Um am Ende das ganze Material in Worte fassen zu können, musste ich mich mehrere Tage aus der aktuellen Redaktionsarbeit zurückziehen.

Von wem und/oder wie wurden Sie dabei unterstützt?

Von einem ganz wunderbaren LZ-Redaktionsteam, das mir in intensiven Recherchephasen den Rücken freigehalten hat. Von Thorsten Lustmann, der mein Fluchen und Zetern beim Kürzen im Layout so tapfer ertragen und am Ende recht behalten hat. Sehr dankbar bin ich zudem dem Stadorf e.V. für die Kontaktvermittlung sowie meiner Protagonistin, ihren Betreuern und ihrer Familie – für Mut, Zeit und Vertrauen.

Was macht für Sie persönlich guten Journalismus aus?

Unabhängigkeit, Genauigkeit, Gründlichkeit – gern auch digital gedacht.

Was braucht ein herausragender Artikel?

Ein relevantes Thema, Klarheit, Stringenz, eine zweite Meinung – und alles, was guten Journalismus ausmacht (siehe oben).

Die erste Wohnung, der erste Freund, der erste Job: Julie macht sich auf in ein selbstständiges Leben. Vom Erwachsenwerden mit dem Fetalen Alkoholsyndrom.

Nominierte Anna Petersen Kategorie Bestes lokales Stück

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