Kommunale Social-Media-Aktivitäten bedrängen Lokalzeitungen - VDL-Umfrage sieht journalistische Arbeit gefährdet

Die direkte Bürgerkommunikation von Städten und Gemeinden über Social Media entwickelt sich zunehmend zum größten Wettbewerbsfaktor für Lokalzeitungen. Das zeigt eine Umfrage des Verbands Deutscher Lokalzeitungen und Lokalmedien (VDL), durchgeführt von Rechtsanwalt und Journalist Hermann von Engelbrechten-Ilow.

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Shutterstock VDL-Befragung: Kommunale PR gefährdet die Lokalpresse.

VDL-Vorsitzender Kai Röhrbein hat die Ergebnisse gemeinsam mit dem Autor in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung eingeordnet  und spricht eine klare Warnung aus: Die intensive Social-Media-Tätigkeit kommunaler Stellen gefährdet sowohl journalistische Arbeit als auch die demokratische Öffentlichkeit.

Kommunen setzen auf Direktkommunikation – Pressearbeit leidet

19 von 20 befragten Lokalzeitungen berichten, dass ihre Kommunen aktiv auf Instagram, Facebook und zunehmend auch YouTube kommunizieren, oft täglich. Gleichzeitig würden Presseanfragen seltener, langsamer und weniger transparent beantwortet. Drei Viertel der Redaktionen stellen fest, dass die Qualität der Behördenkommunikation in den vergangenen Jahren abgenommen hat.

Auch Polizei und Feuerwehr agieren immer häufiger über Social Media – oft mit aktuellen Einsatzfotos, die den unabhängigen Fotojournalismus verdrängen und die öffentliche Kontrolle polizeilichen Handelns erschweren.

Zweifel an Neutralität und Rechtskonformität

Die Umfrage legt nahe, dass viele Kommunen ihre Social-Media-Reichweiten oft nicht im Einklang mit den geltenden rechtlichen Vorschriften nutzen.

  • Die Hälfte der Zeitungen verneint, dass kommunale Beiträge stets einen Aufgabenbezug haben.
  • Zwei Drittel halten die Inhalte nicht für sachlich und neutral – entgegen dem klar definierten Sachlichkeitsgebot staatlicher Öffentlichkeitsarbeit.
  • Ein Drittel berichtet, dass die kommunale Social-Media-Offensive den Vertrieb digitaler Zeitungsabos erschwert.

Der VDL sieht darin ein strukturelles Problem: Kommunen agieren zunehmend wie publizistische Akteure, oft mit größeren Kommunikationsabteilungen als die lokalen Redaktionen. Redakteurinnen und Redakteure würden gezielt abgeworben, Informationen selektiv verteilt und öffentliche Debatten aktiv beeinflusst.

Pressefreiheit unter Druck – VDL fordert klare Regeln

Die Ergebnisse bestätigen einen grundlegenden Trend: Kommunen ersetzen den journalistischen Vermittlungsprozess durch eigene Reichweitenstrategien. Der Deutsche Städtetag nennt dies eine „Erfolgsgeschichte“. Für Lokalzeitungen bedeutet es, dass staatliche Kommunikation in direkte Konkurrenz zur freien Presse tritt.

Röhrbein und Engelbrechten-Ilow verweisen auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der Kommunen ausdrücklich untersagt, Informationslücken der Presse durch eigene redaktionelle Angebote zu füllen. Diese Grenzen würden jedoch regelmäßig überschritten.

Der VDL fordert deshalb klare gesetzliche Leitplanken: verbindliche Vorgaben zur Sachlichkeit, ein eindeutiger Aufgabenbezug, Sperrfristen für Einsatzfotos sowie Regeln, die verhindern, dass staatlich finanzierte PR die Presse als unabhängige Kontrollinstanz unterläuft. Aufgabe des Staates sei es, die Rahmenbedingungen für Medienvielfalt zu sichern – nicht selbst zum Medienakteur zu werden.

Die vollständigen Umfrageergebnisse stehen unter www.lokalpresse.de bereit.