BGH: Kommunales Internetportal darf über städtisches Leben berichten

BDZV: Urteil sollte vom Bundesverfassungsgericht überprüft werden

Regionalmedien müssen damit leben, wenn kommunale Internetportale neben amtlichen Mitteilungen auch einzelne journalistisch aufgemachte Beiträge veröffentlichen. Die Garantie einer freien Presse schütze zwar davor, durch Online-Angebote der öffentlichen Hand ersetzt zu werden, urteilte der Bundesgerichtshof (BGH) am 14. Juli 2022.

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Bei den vielen Inhalten auf einer solchen Seite falle aber nicht jeder unzulässige Beitrag ins Gewicht. Entscheidend sei, wie stark das Gesamtangebot davon geprägt sei (Az. I ZR 97/21). So fasst die Deutsche Presse-Agentur (dpa) den aktuellen  Stand zusammen. Bei der Aufmachung des Dortmunder Stadtportals hätten die obersten Zivilrichterinnen und -richter in Karlsruhe keine Bedenken. Eine Unterlassungsklage des Dortmunder Medienhauses Lensing ("Ruhr Nachrichten") gegen die Stadt sei damit erfolglos geblieben.

Dazu teilte der BDZV mit, dass zunächst das Urteil und die schriftlichen Gründe geprüft werden müssten. Gleichwohl gehe der Verband davon aus, dass der BGH das Gebot der Staatsfreiheit der Medien auch auf die Online-Aktivitäten der öffentlichen Hand, namentlich der Kommunen, übertragen habe. Zu fragen sei dann, ob die BGH-Entscheidung dabei die Vorgaben dafür, wann ein Online-Angebot der öffentlichen Hand wettbewerbswidrig sei, zutreffend gesetzt habe. Dies sollte vom Bundesverfassungsgericht überprüft werden, hieß es weiter vom BDZV.

Die dpa weist weiter darauf hin, dass der Rechtsstreit schon seit 2017 anhängig ist; vor Gericht ging es deshalb um den Internetauftritt «dortmund.de» von vor fünf Jahren. Damals schrieb die Redaktion über sich, ihr Markenzeichen sei "die vertiefende Berichterstattung mit Bebilderung rund um alle Dortmunder Themen wie etwa Politik, Sport, Wirtschaft, Kultur, Freizeit". Und: "Die schnelle Nachricht, der verständliche Bericht, der Newsticker zu speziellen Anlässen gehören genauso zum Repertoire und lebendige Interviews mit Menschen dieser Stadt."

Lensingmedia in Dortmund ging dies zu weit. Es stehe außer Frage, dass Kommunen ihr Verwaltungshandeln darstellen dürften, hatte Verleger Lambert Lensing-Wolff nach der BGH-Verhandlung im Mai gesagt. Die Stadt Dortmund habe aber ein Selbstverständnis, das dem einer Presseinstitution gleiche. Wenn man das vom Ende her denke, sei die Pressefreiheit in Gefahr. "Wir versuchen, dass Presse frei von Politik und frei von staatlichen Einflüssen bleibt." Eine ausführliche Stellungnahme von Lambert Lensing-Wolff zum Entscheid des BGH finden Sie hier.

Ferner macht dpa darauf aufmerksam, dass der BGH 2018 in den laufenden Dortmunder Streit hinein ein kostenloses "Stadtblatt" im baden-württembergischen Crailsheim beanstandet hatte. Die zentrale Botschaft dieses Urteils: Die Berichterstattung über das gesellschaftliche Leben in der Gemeinde sei Aufgabe der lokalen Presse und nicht des Staats. Auch in ihrer neuen Entscheidung hätten die Richter bekräftigt, dass eine ausufernde kommunale Pressearbeit Gefahren berge. Die öffentliche Hand müsse sich in Zurückhaltung üben, sagte der Vorsitzende Jörn Feddersen. In der Fülle an Beiträgen auf einem Internetportal sei das mengenmäßige Verhältnis zwischen zulässigen und unzulässigen Inhalten aber weniger aussagekräftig als bei einer gedruckten Publikation. Online komme es auch darauf an, welches Gewicht ein Beitrag habe: Ist er gleich auf der Startseite verlinkt? Wie oft wird er angeklickt?

Bei «dortmund.de» sehen die BGH-Richter keinen Anlass zum Einschreiten. Sie bestätigten ein Urteil des Oberlandesgerichts Hamm, das die Klage des Verlags in der Berufungsinstanz abgewiesen hatte. Am Landgericht Dortmund war zunächst die Stadt unterlegen gewesen.