Marktwirtschaftlich finanzierter Journalismus in der digitalen Welt wichtiger denn je

Gastbeitrag von Thomas Düffert in „Die Welt“

Die Pläne des Bundesjustizministeriums zur Reform des Urheberrechts würden aus Sicht von Thomas Düffert, Vorsitzender der Konzerngeschäftsführung der Madsack Mediengruppe und Vizepräsident des BDZV, zu einem „gewaltigen Schaden“ führen.

Thomas Düffert
Madsack Mediengruppe

Der Entwurf des Ministeriums sieht vor, dass Plattformen wie Google oder Facebook künftig Textausschnitte von 1000 Zeichen legal im Netz verbreiten können sollen, ohne die Urheber zu vergüten. 1000 Zeichen, „das ist etwa die Netto-Länge von Goethes ‚Erlkönig‘ oder dreimal das ‚Vater unser‘“ veranschaulicht Düffert in einem Gastbeitrag in „Die Welt“ (22.12.2020).

„Weil man es ja ohnehin nicht ändern könne und etwa Filmtrailer, Musikausschnitte oder Leseproben von Büchern von den Anbietern ganz bewusst ins Netz gestellt würden. In die analoge Welt übersetzt könnte das heißen: Weil es üblich sei, dass man in Parfümerien kleine Proben bekomme, müsse es nun eine gesetzliche Pflicht geben, jedem, der den Laden betritt, zehn Milliliter des gewünschten Dufts auszuhändigen. „Gern auch mehrfach am Tag. Kann das wahr sein?“, fragt Düffert.
 
Das Justizministerium übersehe, erklärt er, wie Informationen heute wahrgenommen und konsumiert werden.

„1000 Zeichen – das kann eine solide Nachrichtenmeldung im Netz sein, die alles Wesentliche enthält. Ganz gleich, ob es eine Unfallmeldung auf dem Onlineportal des ‚Göttinger Tageblatts‘ ist, eine politische Nachricht der ‚Frankfurter Allgemeinen‘ oder eine exklusive Information aus dem Berliner Büro der ‚Rheinischen Post‘ – in den ersten 1000 Zeichen müssen Journalistinnen und Journalisten heute mehr denn je das Wesentliche sagen.“

Wer etwa die ersten 1000 Zeichen eines Textes also mit einem Werbetrailer eines Kinofilms verwechsele, wisse wenig von der aktuellen Medienwelt, so Düffert. Jene missachteten die „handwerklichen Fähigkeiten von Journalistinnen und Journalisten, die eben gelernt haben, die Dinge knapp auf den Punkt zu formulieren. In diesen ersten 1000 Zeichen steckt vor allem eines: harte Arbeit.“
 
Marktwirtschaftlich finanzierter Journalismus sei in der digitalen Welt der Shitstorm-Netzwerke und Verschwörungsblogs wichtiger denn je. Verlage täten immense Anstrengungen und investierten in Technik und Personal, schafften und sicherten Arbeitsplätze für hochqualifizierte Fachkräfte. „Die Früchte dieser Arbeit – das journalistische Werk – muss der Staat mit dem Urheberrecht vor Raubkopien schützen. Und nicht die Raubkopie legalisieren“, fordert Düffert.