Not before the child

Von Mark Spörrle

Kinder sollten ganz tief in eine Fremdsprache eintauchen, empfiehlt eine Mutter. Deshalb muss Mark Spörrle mit deutschen Familien Tee trinken - und Englisch reden.

Neulich waren wir bei den Eltern von Luises Kindergartenfreundin Sophie zum Kaffee eingeladen. Wir dachten jedenfalls, zum Kaffee. "Welcome to our five o' clock tea!" Sophies Mutter umarmte uns und rief nach ihrem Mann und ihrer Tochter: "Martin, Sophie, sweetheart! Come please! Our visit is here!"

"No!", schrie Sophie aus ihrem Zimmer zurück.

"Ihr habt Besuch?", fragte meine Liebste.

"Besuch?"

"Weil ihr Englisch redet?"

"Ach so!", Sophies Mutter machte eine wegwerfende Handbewegung. "Das machen wir immer. Take place! We have scones, sandwiches and fruitcake - delicious, not?"

"Oh yes! Great!", sagte ich. Es war zwar schon einige Zeit her, aber ich war mir sicher, dass Sophies Eltern bei unserer letzten Begegnung noch fließend Deutsch gesprochen hatten. "Warum", fügte ich vorsichtig hinzu, "sprechen wir - Englisch?"

"Wir haben Französisch ausprobiert, als Sophie zwei war, aber das war nicht ganz ihr Ding. Obwohl sie in Orff für Zwerge und beim Mathefrühkurs spitze war. Und mit Chinesisch starten wir erst, wenn sie in die Schule kommt, da ist es noch nicht ganz zu spät."

"Noch nicht zu spät?", echote meine Liebste.

"Du hast recht", sagte Sophies Mutter. "Wie eine echte Muttersprachlerin wird sie Mandarin dann vermutlich nie mehr sprechen. Aber die meisten Chinesen tun das ja schließlich auch nicht." Sie warf den Kopf zurück und lachte. Es sollte perlend klingen, aber es klang etwas angestrengt.

"Martin!", rief sie dann, "where are you? Sophie! Last order now! Your girlfriend Luise is here!"

Sophies Vater betrat den Raum. "Hi!", rief er. "Nice to see you! How are you?"

Sein Pfälzer Akzent war stark gewöhnungsbedürftig.

"Alles in bester Ordnung", erwiderte ich. "Und euch geht es auch noch gut?"

"Es geht ...", begann Sophies Vater.

"Martin, Englisch please!", rief seine Frau mahnend. Sophie kam in den Raum geschlurft. "Hello Sophie, my dear", rief ihre Mutter. "Come in! Say hello to our guests!"

"Hello, how are you?", nuschelte Sophie mit gesenktem Kopf. "Wollen wir was spielen?", kürzte Luise ab.

"Wait, a moment please, Luise!", sagte Sophies Mutter und lehnte ich zu uns herüber. "Ob eure Tochter auch auf Englisch...?", flüsterte sie. "Ihr seht ja, es macht Sophie so großen Spaß!"

"Ich fürchte, das wird nicht klappen", flüsterte die Liebste zurück. "Luise ist noch nicht ganz so weit."

Sophies Mutter starrte uns kurz an. "Ach so... Sie lernt Italienisch? Spanisch?... Nein?... Aber sie fängt sicher bald an? Bevor sich das phonetisch-neuronale Fenster schließt?"

"Mal sehen", sagte die Liebste diplomatisch. Die zwei Mädchen zogen ab.

"Wisst ihr, Sophie hat sich schon so an die Sprache gewöhnt, ich glaube, sie träumt schon auf Englisch. Neulich erst summte sie im Schlaf etwas, das klang wie Old MacDonald had a farm… Jetzt sollten wir aber wieder Englisch sprechen!"

Wir nickten pflichtbewusst.

"You know, when learning a language, it is very important to dive deep into the language!", fuhr Sophies Mutter fort. "Looking back, it would have been better to push Sophie into a bilingual childgarden…"

"Kindergarten!", warf ihr Mann ein.

"Martin, English please!"

"Das IST Englisch!", erwiderte Martin.

"Martin: English please!"

"It is English, hell!"

"What?"

"Kindergarten!"

"Lecker diese Sandwiches!", schaltete sich meine Liebste schnell ein. "Mit Gurken - wie in England. Und die Scones sind hervorragend." Damit übertrieb sie stark, aber es half.

"Thank you", sagte Sophies Mutter wieder lächelnd. "We are lucky to travel to England in the next holidays! Good, what?"

"Really?", fragte ich.

"Ja", sagte Martin. "Es ist da nicht gerade günstig und es war fast alles ausgebucht, aber wir hoffen, dass Sophie einen Zugang zur Sprache kriegt..."

"Martin!", unterbrach seine Frau, "sei nicht so bescheiden. Unser Kind spricht Englisch schon ganz hervorragend. Sie ist ein Naturtalent. Sie muss nur noch ein klein wenig an ihrer Aussprache arbeiten. Und deshalb hoffen wir, dass wir auf diesem Top-Campingplatz in Cambridge viele Leute mit BBC-Pronounciation treffen."

"Ich wusste gar nicht, dass Ihr gerne campt!", raunte ich Martin zu. Er zuckte die Schultern. "Für England!" Seine Frau sah ihn pikiert an.

"Ja, England ist sehr schön", sagte die Liebste wild entschlossen diplomatisch.

"English please!", sagte Sophies Mutter. "What do you say?"

"England", sagte die Liebste, "is very beautiful!"

"Oh yes", rief Sophies Mutter begeistert.

Luise und Sophie kamen hereingerannt, um sich etwas vom Teetisch in die Münder zu stopfen.

"Kann ich andere Kekse?", fragte Sophie nach dem ersten Bissen Scon und verzog das Gesicht.

"Sophie: English please!", sagte ihre Mutter lächelnd. Sophie blies die Backen auf. "Immer muss ich Englisch reden, wenn wir Besuch haben! Das finde ich doof!"

"Sophie! Wir sprechen den ganzen Tag Englisch. Nicht nur wenn wir Besuch haben!" "Mit Oma und Opa muss ich am Telefon auch Englisch reden. Dabei können die gar kein Englisch!"

"Aber Sophie", sagte ihre Mutter. "Natürlich können die Englisch. Die lieben Englisch. Und England! Die sind früher immer nach England gefahren."

"Nach Mallorca", korrigierte ihr Mann.

Seine Frau warf ihm einen zürnenden Blick zu.

"Aber bald fahren sie nach England, Sophie. Und sie freuen sich sehr!"

"Sie fahren nach Mallorca", sagte ihr Mann. Er beugte sich zu uns.

"Ehrlich gesagt: Wir mögen England auch nicht besonders." Seine Frau zischte warnend.

"All time shit-weather!", fuhr ihr Mann fort. "No sun. Always rainy. We do it just for Sophie…"

"Martin!", rief Sophies Mutter wütend. "Not before the child!"

"In front of the child!"

"Before!"

Meine Liebste und ich sagten freundlich, es sei unheimlich nett gewesen, aber wir müssten nun leider wieder los. Als wir Luise riefen, kam auch Sophie angelaufen. "Kann ich mit euch in Urlaub fahren?", fragte sie.