Mehr als nur Meinung: Wie Journalismus im digitalen Zeitalter Glaubwürdigkeit sichert

Lea Thies ist Leiterin der Günter Holland Journalistenschule und Redakteurin der Augsburger Allgemeinen. Seit 2024 gehört sie zur Jury des Nova Innovation Awards der Digitalpublisher und Zeitungsverleger.

Foto der Augsburger Allgemeine | Lea Thies
Augsburger Allgemeine | Lea Thies

Als Leiterin der Günter Holland Journalistenschule und Redakteurin der Augsburger Allgemeinen erlebst du den Wandel des Journalismus hautnah. Wie hat sich der Journalismus heute verändert, und welche sind die größten Herausforderungen für Journalistinnen und Journalisten?

Spannende Zeiten erleben wir gerade. Journalismus ist heute schneller und facettenreicher als noch vor zehn oder 20 Jahren. Die Technik hat unseren Arbeitsalltag enorm verändert und wird ihn weiter verändern. Mehr Kanäle und Formate fürs Storytelling, mehr Möglichkeiten zur Recherche oder zur Kontaktaufnahme mit Menschen, aber auch mehr Deadlines am Tag, Shitstorms und größere Konkurrenz auf Social Media. Die größten Herausforderungen für Journalistinnen und Journalisten sind meiner Meinung nach analoger Natur: trotz aller technischen Finessen nah am Menschen sein, rausgehen, zuhören, Lösungen suchen, Relevanz zeigen und Vertrauen (zurück)gewinnen. Journalisten sind keine Gatekeeper mehr, in einer Aufmerksamkeitsökonomie müssen wir die Menschen mit Inhalten überzeugen, damit sie rare Zeit in unsere Geschichten und Angebote stecken. Sie müssen beim Einordnen und Meinungsbilden helfen, Lösungen zu Problemen skizzieren. Dabei sind Vertrauen, Glaubwürdigkeit und Relevanz das A und O.     

Auf LinkedIn bezeichnest du dich als Generation-Z-Supporterin. Was bedeutet das konkret, und wie setzt du dich für diese Generation ein?

Lustig, auf diese Wortschöpfung werde ich immer wieder angesprochen. Ich fand „Ausbildungsleiterin“ irgendwie langweilig, wollte aber in einem Wort zeigen: Ich helfe jungen Menschen, beruflich Fuß zu fassen und durchzustarten.

Genau genommen lernen aber Menschen aus verschiedenen Generationen an der Günter Holland Journalistenschule, weil wir auch Praktikantinnen und Praktikanten betreuen und Redakteure schulen. Meine wunderbare Kollegin Paula Binz und ich organisieren Seminare, buchen Referenten, schulen neue Themen, holen frischen Wind ins Haus und versuchen auch, den Dialog zwischen den Generationen zu fördern. Ich setze mich zum Beispiel auch intern dafür ein, dass Volos gehört werden, partizipieren dürfen und ihre Meinung Gewicht hat. Unsere Volos sind eine enorme Bereicherung für unsere Redaktion, sie bringen neue Perspektiven ein und frischen Wind – außerdem kennen sie unsere Leserinnen und Leser von morgen am besten.

Social Media und Influencer beeinflussen zunehmend den Journalismus. Wie können Journalistinnen und Journalisten ihre Glaubwürdigkeit und Relevanz durch innovative Strategien in diesem Umfeld wahren?

Viele Medienhäuser arbeiten bereits mit Reels, erzählen die Nachrichten auf Social Media Kacheln, die Seite 3 ist nicht mehr der alleinige journalistische Gold Standard. Digital werden viele neue Formate ausprobiert, was ich großartig finde. Was wir Journalistinnen und Journalisten noch lernen müssen: mehr darüber zu sprechen, wie wir arbeiten und was uns von Influencern unterscheidet. Dass Journalismus nicht einfach Rausblasen ist, dass bloßes Meinen nicht reicht, dass wir uns an Regeln halten, dass Journalismus wichtig für die Demokratie ist. Transparenz ist ein wichtiger Schlüssel zur Glaubwürdigkeit und Relevanz. Außerdem: Nähe, Meinungsvielfalt, Zeit fürs Zuhören und für den Diskurs, Diversität in den Teams und Themen. Deswegen hat mir auch das Projekt „Leser-Reporter-Tandems“ so gut gefallen, mit dem sich die Dewezet für den Nova-Award beworben hat. Da steckt alles drin. 

Lea Thies

Viele Medienhäuser arbeiten bereits mit Reels, erzählen die Nachrichten auf Social Media Kacheln, die Seite 3 ist nicht mehr der alleinige journalistische Gold Standard. Digital werden viele neue Formate ausprobiert, was ich großartig finde.

Als Jurorin für den Nova Innovation Award sichtest du Einreichungen aus verschiedenen Medienhäusern. Was ist dir besonders wichtig, wenn du die Projekte bewertest? Welche Kriterien müssen die Einreichungen erfüllen, um deiner Meinung nach als wirklich innovativ zu gelten?

Ich freue mich, wenn es in den Projekten darum geht, den Journalismus voranzutreiben, zu stärken, zu modernisieren.

 

Daher blicke ich nicht nur auf technische Innovationen, sondern auch darauf, welch gesellschaftliche Relevanz die Ideen haben, wie mutig und aufwändig die Projekte sind. Auch wichtig: Wilde Out-of-the-Box-Denke, Skalierbarkeit, Mehrwert für die Leserinnen und Leser und natürlich die Medienhäuser. 

Zum Schluss eine persönliche Frage: Welche Innovation hat dich in der letzten Zeit begeistert?

Das sind im Journalismus eigentlich zwei Innovationen. Ich bin zum einen ein Fan des User Need Modells von Dmitry Shishkin, weil es im Redaktionsalltag einfach anzuwenden ist und zur Relevanzsteigerung der Inhalte beiträgt. Außerdem begeistert mich der Good Newsletter unserer Volos. Die geballte Ladung an guten Nachrichten und Lösungen aus der Heimat und der Welt kommt bei den Lesern sehr gut an. Auch Neukundinnen haben wir dadurch schon gewonnen und für unsere Marke begeistert. Die Redaktionen achten nun mehr auf konstruktiven Journalismus. Kürzlich haben unsere Volos auch eine Good-News-Aktion am Rathausplatz in Augsburg organisiert und sind über gute Nachrichten mit Passantinnen und Passanten ins Gespräch gekommen. Die Botschaft: Wir bieten ein Mittel gegen die Medienmüdigkeit. Kurzum: Good news are good news.  

Augsburger Allgemeine Good-News-Aktion am Rathausplatz in Augsburg
Augsburger AllgemeineGood-News-Aktion am Rathausplatz in Augsburg

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