„Ich sehe die Freiheit der Kunst auch in der westlichen Welt bedroht“

Interview mit Xenia Hausner

Am 3. Mai 2022 jährt sich zum 31. Mal die Erklärung von Windhoek (Namibia), einer 1991 von afrikanischen Journalisten ausgearbeiteten Grundsatzerklärung mit der Forderung nach freien, unabhängigen Medien auf dem afrikanischen Kontinent und in aller Welt - und einer der Ursprünge für den von der UNESCO ausgerufenen Press Freedom Day. In Erinnerung an dieses Ereignis hat die österreichische Künstlerin Xenia Hausner ein außerordentliches Motiv eigens für die deutschen Zeitungen geschaffen. Wir stellen sie und ihre Arbeit hier vor.

Xenia Hausner
KATSEY Photography

Frau Hausner, Es gibt eine Adresse „Berlin“ und eine Adresse „Wien“ für Xenia Hausner. Was verbirgt sich hinter Berlin?

Ich lebe mit Unterbrechungen seit 30 Jahren in Berlin. Vor einiger Zeit hat mich eine gewisse Sentimentalität eingeholt. Jetzt wohne und arbeite ich mit einem Bein in Österreich und mit dem anderen in Berlin. Ich liebe das Leben in beiden Metropolen. Für meinen Kopf brauche ich beides..

Wie ist es Ihnen da während der Pandemie ergangen?

Der Leidensdruck für MalerInnen war nicht so groß wie für andere Menschen, denke ich. Wir konnten einfach in Ruhe arbeiten in der Zeit. Vielleicht war diese Phase der Rückbesinnung sogar gut für die Kunst. Und in jedem Fall produktivitätssteigernd, weil ja die Ablenkung von außen fehlte.

Aber Gelegenheit zur Arbeit als Bühnenbildnerin, die Sie ja auch waren, dürfte es „während Corona“ doch kaum gegeben haben?

Ja, die Theater haben echt gelitten. Aber die Ausstattung des „Rosenkavaliers“ letztes Jahr in Berlin war ein Ausflug in mein Vorleben. Bühnenbild ist etwas sehr Exogenes. Malerei ist Rückzug und Ateliertür zu – ein sehr autistisches Leben. Dafür war Corona total begünstigend.

"Out" von Xenia Hausner
Xenia Hausner

Und jetzt kommt die große Freiheit?

Hoffentlich. Ich möchte unbedingt wieder reisen. Ich reise gern und fotografiere gern. In irgendeiner Form fließt das Material später in die Arbeit ein. Nicht eins zu eins, aber auf verschlungenen Wegen – Kunst ist irrational und frei.

Damit sind wir beim tieferen Anlass für unser Gespräch zum 3. Mai: Was bedeutet Ihnen persönlich Pressefreiheit und auch die damit eng verbundene Freiheit der Kunst?

So grotesk das klingen mag, sehe ich die Freiheit der Kunst inzwischen auch in der westlichen Welt gefährdet durch „woke“ und „Cancel Culture“. Und die Presse mischt da leider kräftig mit. Ohne die Reichweite der Medien hätten woke und Cancel Culture längst nicht die Bedeutung. Zumindest sollte man das mit einem kritischen Blick betrachten.

Aber auch klar ist – wenn Russland eine freie Presse hätte, wäre die Bevölkerung nicht so kolossal desinformiert und würde nicht glauben, dass in der Ukraine gegen Nazis gekämpft wird. So würde der Rückhalt für Putins Krieg rasch schwinden.

Hat Ihr Motiv einen Namen?

„Out“ – wie aus oder außerhalb. Es hat etwas mit ausklinken oder wegschauen zu tun.

Wir sehen eine junge Frau, die ruhig und konzentriert durch eine Art Maske blickt. Kunstwerke sollen für sich selbst sprechen, keine Frage. Geben Sie uns trotzdem einen Hinweis, was Sie sehen?

Eine Maske? Für mich ist das eher das Brett vor dem Kopf. Aber gleichzeitig erlauben die Sehschlitze das „Durch-Schauen“, das genaue Hingucken, was passiert, um sich ein eigenes Bild von der Welt zu machen. Ich mag das Doppelbödige – meine Bilder haben keine eindeutige Botschaft. Die aktuelle Berliner Ausstellung, zu der auch „Out“ gehört, heißt „Unintended Beauty“. Da geht‘s – in Verkehrung von Rilke – um das Schreckliche, das durch die Aufarbeitung in der Kunst der Anfang von etwas Schönem, also hoffentlich von einem interessanten Bild werden kann.

Mit genau diesem kraftvollen Motiv als Umschlag und dem Titel „True Lies“ (Wahre Lügen) erscheint bei Hirmer Ihr Buch zur zurückliegenden Ausstellungstournee durch die Albertina, nach Russland und in die Schweiz. Eigentlich ist „Wahre Lügen“ auch eine Aussage über Kunst.

Absolut. Eigentlich beschreibt das nur den Entstehungsmechanismus von Kunst im Allgemeinen: Über eine bewusste Fiktion gelangen wir zu einem tieferen Verständnis der Welt.

Die Retrospektive Ihrer Werke in der Wiener Albertina – gibt es noch etwas Größeres als diese Anerkennung im eigenen Land?

In Österreich ist das nicht zu toppen – weltweit gibt es noch Luft nach oben.