Medientage: Journalisten müssen auch über „Asyltourismus“ berichten

Special von BDZV und VBZV über „Sprache und Macht“

Journalisten können auf polemische Begriffe wie „Asyltourismus“ oder „Anti-Abschiebe-Industrie“ nicht grundsätzlich verzichten - darin waren sich die Experten einig, die am 25. Oktober 2018 bei einer Veranstaltung von BDZV und Verband Bayerischer Zeitungsverleger (VBZV) anlässlich der Medientage München darüber diskutierten. „Wir können nicht so tun, als wären solche Begriffe nicht in der Welt“, sagte die Chefredakteurin der „Frankfurter Rundschau“, Bascha Mika. Wenn Politiker solche Begriffe verwendeten, dann müsse darüber auch berichtet werden. „Aber die Frage ist, in welcher Form und in welchem Ausmaß.“

Auch der „Spiegel“-Redakteur Jan Fleischhauer betonte: „Es ist meine Aufgabe als Journalist, auch über die Aufregung über solche Begriffe zu schreiben.“ Nicht nur Rechtspopulisten bedienten sich einer tendenziösen Sprache, sondern auch linke Politiker, wenn sie etwa von „Herdprämie“ statt von „Betreuungsgeld“ sprechen.

Bei der Veranstaltung unter dem Motto „Sprache und Macht - Journalisten, Populisten und die Politik“ machte die Kognitionsforscherin Elisabeth Wehling (Berkeley, USA) deutlich, dass viele Begriffe unterschwellig eine bestimmte Deutung mitliefern. Die Wissenschaft bezeichnet das als Framing. Politiker wie US-Präsident Donald Trump erzeugten mit einer solchen Sprache eine Angst, die die Wähler instinktiv nach rechts treibe. Ein Beispiel sei schon das Wort „Flüchtling“, weil die meisten dabei nur an Männer dächten, nicht an Frauen.

Fleischhauer widersprach und warnte vor einer „sprachlichen Bevormundung“, die bei Zuschauern, Hörern und Lesern eine Abwehrreaktion erzeuge. In manchen Sendern werde jetzt nur noch von „Geflüchteten“ gesprochen. „Sprachpolitisch stehen damit der aus der Hölle von Aleppo Entkommene und der aus der Kneipe Geflüchtete auf einer Ebene.“ Moderiert wurde die Runde von Uwe Vorkötter, Chefredakteur „Horizont“.