„Wir sind Möglichmacher, keine Bittsteller.“
Mit diesem Satz eröffnete der BDZV-Kongress in Berlin eine Debatte, die direkt in die Redaktionen wirkt: Wie sprechen wir über uns selbst – und wie wollen wir wahrgenommen werden? Entscheidend ist nicht nur, was wir berichten – sondern auch, wie wir über unsere Branche sprechen.

Rund 200 Führungskräfte diskutierten über Haltung, digitale Souveränität und die Frage, wie man Politik, Wirtschaft und die eigene Leserschaft überzeugt. Matthias Ditzen-Blanke, BDZV-Vorstandsvorsitzender, brachte es auf den Punkt: „Wir gestalten aktiv die demokratische Öffentlichkeit, hören den Menschen zu, geben Antworten auf gesellschaftliche und politische Herausforderungen – verantwortungsbewusst und lösungsorientiert.“
Von der Verteidigung zum Angebot
Rhetorik-Coach Markus Resch betonte im Panel: Wer nur über die eigene Relevanz spricht, überzeugt niemanden. Ein Narrativ dürfe nicht bei den Verlagen selbst beginnen, sondern bei den Sorgen der Menschen. Oder, wie es ein Teilnehmer formulierte: „Eure Sorge ist … unsere Lösung dafür ist …“. Dieser Perspektivwechsel könnte zum Leitmotiv werden.
Für Redaktionen bedeute das, weniger zu erklären, warum Journalismus wichtig ist – sondern zu zeigen, wie er wirkt. „Präsentieren Sie Ihren Output nicht als Selbstrechtfertigung, sondern als Angebot zur Lösung gesellschaftlicher Fragen“, rät Resch.
„Reden wir über das, was wir können“
Verlegerin Inken Boyens mahnte, die Branche rede zu oft schlecht über sich selbst. Stattdessen müsse stärker sichtbar werden, was sie leistet – von investigativer Recherche bis zu neuen digitalen Produkten. „Warum sprechen wir nicht selbst darüber, wie fortschrittlich wir sind?“ fragte sie. Kommunikationsberaterin Carline Mohr ergänzte: „Wer nicht an sich glaubt, kann auch nicht überzeugend auftreten. “
Lokalzeitungen zeigen täglich, was Verantwortung bedeutet: Sie eröffnen Debattenräume, machen Ängste sichtbar, vermitteln zwischen Interessengruppen. Ein Beispiel aus Heide: Als eine Jugendbande die Stadt verunsicherte, war es die lokale Zeitung, die den Dialog ermöglichte. Ebenso bei der Ansiedlung einer Batteriefabrik – die Zeitung war Faktenlieferant und Mediator zugleich. Solche Geschichten zeigen, wie nah Redaktionen am Alltag der Menschen sind.
Mehr Mut zur eigenen Sache
Die Debatte darüber, wie und worüber Redaktionen berichten, wirkte über den Kongress hinaus. Ulrich Schönborn positionierte sich dazu auf LinkedIn. Auch medienpolitische Themen gehörten in die Redaktionen, sagt der Chefredakteur der Nordwest Mediengruppe. „Wer berichtet denn über uns, wenn nicht wir?“
Selbstverständlich gelte die redaktionelle Unabhängigkeit, „doch das entbindet uns nicht von der Aufgabe, medien- und damit auch verlagspolitische Themen aufzugreifen, zu analysieren und zu erklären, zumal diese – siehe Big Tech und Plattform-Oligarchie – hochrelevante gesellschaftspolitische Themen sind.“
Schönborn nennt drei Punkte:
- Über Medienpolitik zu berichten, ist journalistische Pflicht, weil sie die Leserschaft direkt betrifft, etwa bei steigenden Zustellkosten.
- Qualitätsjournalismus muss erklären, wie Plattform-Oligopole die digitale Öffentlichkeit kapern. Das ist keine Interessenvertretung, sondern Demokratiearbeit.
- Die Branche hat versäumt, in eigener Sache zu erzählen. „Neulich saßen Leser bei mir und behaupteten, wir würden von der Regierung dafür bezahlt, die AfD kleinzuschreiben.“ Um solchen Mythen zu begegnen, braucht es mehr Transparenz über redaktionelle Arbeit und Investitionen in Innovation.
Sein Fazit: „Wir müssen viel mehr in eigener Sache berichten. Wir müssen Vertrauen bilden. Wir müssen transparenter und selbstbewusster werden. Denn sonst werden die Bedingungen für unabhängigen, weil wirtschaftlich erfolgreichen, Journalismus tatsächlich immer schlechter.“
Haltung statt Skandalisierung
Die Diskussion in Berlin mündete in ein klares Selbstverständnis: Journalismus muss kritisch bleiben, ohne destruktiv zu werden. „Kritik ist unser Job. Zerstörung nicht. Wir hinterfragen Macht – aber wir reißen sie nicht reflexhaft ein,“ lautete eine Stimme aus dem Panel.
Die Thesen, die sich herauskristallisierten, lauten:
- Aufhören, ständig zu erklären, warum wir wichtig sind – stattdessen zeigen, dass wir es sind.
- Vielfalt als Stärke nutzen und bündeln.
- Haltung zeigen statt starre Forderungen stellen.
- Lösungen anbieten statt Probleme zu beklagen.
Der BDZV-Kongress hat gezeigt: Die Zeitungs- und Digitalbranche braucht kein neues Etikett, sondern eine veränderte Haltung. Selbstbewusst, konstruktiv, anschlussfähig. „Unsere Geschichten sind unser Statement,“ hieß es in Berlin. Oder, um es auf eine einfache Formel zu bringen: Nicht erklären, warum wir wichtig sind. Sondern zeigen, dass wir es sind.