Digitale Arbeitsweisen: So überzeugen Chefredakteure ihr Team

Wie macht man eine Redaktion fit für die digitale Zukunft? Oliver Haustein-Teßmer, Chief Transformation Officer der Neuen Pressegesellschaft Ulm, hat viele Lokalredaktionen besucht. Im Interview verrät er die Schlüssel zur erfolgreichen Transformation.

 

Porträtfoto von Oliver Haustein-Teßmer
Marc Hörger, NPG, Ulm Oliver Haustein-Teßmer

Wenn Chefredakteure morgen etwas anpacken wollen, um ihre Redaktion digital zukunftssicher aufzustellen: Was sind die drei wichtigsten Hebel, die sofort Wirkung zeigen?

Oliver Haustein-Teßmer: Leider können Sie digitalen Erfolg nicht einfach anweisen und dann machen in Ihrer Redaktion morgen alle begeistert mit. Ich empfehle drei wesentliche Bausteine. Erstens eine vorausschauende Planung und Produktion, um die notwendige digitale Qualität zu erreichen. Zweitens sollten Sie alles von Online her denken. Selbst wenn bei Ihnen die Tageszeitung noch eine wesentliche Rolle spielt, ist deren Produktion nachgeordnet. Drittens geht es darum, Journalismus für Ihre definierten Zielgruppen entlang deren Bedürfnissen, englisch Audiences und User Needs, zu entwickeln. Sie können schrittweise, Team für Team, und während der laufenden Produktion mit diesem Dreiklang starten.

Digitale Transformation scheitert oft an Widerständen im Team. Wie überzeugen Chefredakteure skeptische Kolleginnen und Kollegen, den Wandel mitzugehen und neue Arbeitsweisen zu akzeptieren?

Haustein-Teßmer: Zeigen Sie auf, warum die Redaktionen etwas davon haben, mit einer digitalen Arbeitsweise sowohl Bestandskunden als auch neue und jüngere Zielgruppen zufriedenzustellen. Wir möchten qualitätsvollen Journalismus refinanzieren. Dafür müssen wir etwas tun. Das ist eine existenzielle Frage, wenn beispielsweise Lokaljournalismus, der eine wesentliche gesellschaftliche Aufgabe in der Demokratie hat, überleben soll. Analysieren Sie Ihre Stakeholder und verdeutlichen Sie jedem die Chancen der Transformation. So kann beispielsweise die vorausschauende Planung und Produktion Reporterinnen und Editoren entlasten und zugleich die Qualität steigern. Wenn sich dies in neuen digitalen Abos auszahlt, machen Sie das bitte deutlich und feiern Sie das. So haben Mitarbeitende wirksam am Erfolg teil.

Sie haben viele Einblicke in die Arbeitsprozesse lokaler Redaktionen bekommen. Welche Erkenntnis hat Sie persönlich am meisten überrascht? Und: Welche Fragen hören Sie am häufigsten von Chefredakteuren?

Haustein-Teßmer: Es ist für mich immer noch überraschend, wie viele Redaktionen mit Print-Erbe relativ am Anfang stehen. Das ist ja ein Grund, warum ich mein Buch "Digitaler Erfolg im Lokaljournalismus" geschrieben habe. Es soll Führungskräfte, erfahrene Medienleute und Berufseinsteiger ermutigen, Online-Journalismus zügig und ernsthaft zu betreiben. Das klappt nun mal nicht, wenn die Last auf wenigen Expertinnen und Experten liegt und Print weiterhin die Abläufe dominiert. Oft habe ich die Frage aus Chefredaktionen gehört, wie das zu führen ist. Es gibt darauf keine einfache Antwort. Aber natürlich gehören Regeln der digitalen Arbeitsweise dazu, ebenso wie Konsequenzen, wenn Redaktionen nicht mit dem erforderlichen Standard arbeiten. Diese Diskussion müssen Sie nicht nur aushalten, sondern lenken. Positiv, indem Sie die besten Beispiele erfolgreichen Arbeitens betonen. Legen Sie den Fokus auf digital affinere Kolleginnen und Kollegen - nicht auf die schwierigsten Fälle.

Können Sie ein Beispiel nennen, wie eine Lokalredaktion die digitale Transformation besonders gut meistert – und ein Beispiel, was nicht funktioniert hat? Welche Lehren können Chefredaktionen daraus ziehen?

Haustein-Teßmer: Ich kenne aus einigen Medienhäusern ermutigende Beispiele. Allgemein tun Lokalredaktionen gut daran, auf exzellente und originäre Storys zu setzen und ihre Reportage nach dem Online-first-Prinzip zu etablieren. Das bedeutet auch, keine allein der gedruckten Zeitung vorbehaltenen Inhalte mehr zu produzieren. Letzteres lässt sich schrittweise und KI-gestützt automatisieren. Umgekehrt ist nicht viel gewonnen, wenn Lokalteams alles zugleich stemmen sollen, immer mehr digitale Aufgaben bekommen, die Entscheiderinnen und Entscheider aber nicht loslassen wollen von Printgewohnheiten - obwohl sie online erfolglos damit sind.

Wie wichtig sind Partnerschaften und Netzwerke für Lokalredaktionen?

Haustein-Teßmer: Gerade letzteres, überforderte Lokalredaktionen in der digitalen Transformation, kennt bestimmt jede Führungskraft aus eigener Erfahrung. Umso wichtiger finde ich es, wenn sich sowohl Chefredaktionen als auch Teamleitungen bei anderen regionalen Verlagen umtun, den Austausch und partnerschaftliche Zusammenarbeit voranbringen. Gern auch mit Wettbewerbern, wo es allen hilft. Es liegt auf der Hand, dass es nicht die alleinige Lösung, den goldenen Schlüssel zum digitalen Erfolg gibt. Deswegen halte ich einen Methodenmix für hilfreich. Dabei ist Kooperation, das Lernen von anderen, zum Beispiel auch über die Arbeitsgruppe KI im BDZV, natürlich förderlich.