„AI Overviews“: Wie Google die freie Presse ins Abseits drängt
Mit „AI Overviews“ greift Google tief in die Arbeit von Redaktionen ein – automatisiert und ohne Vergütung. Der KI-Chatbot generiert eigene Antworten aus öffentlich zugänglichen Quellen. Deren Inhalte werden zwar verarbeitet, aber nicht verlinkt. Google kontrolliert die Sichtbarkeit. "Wer seine Inhalte nicht davor schützt, wird sie nicht mehr monetarisieren können," warnt Prof. Dr. Thomas Höppner.

„Gefunden werden ist wichtiger als produzieren“, mahnte Rechtsanwalt Prof. Dr. Thomas Höppner, einer der profiliertesten Google-Kritiker Europas, im Panel für Chefredaktionen auf der beBETA-Konferenz des BDZV. „Wer seine Inhalte nicht schützt, wird sie nicht mehr monetarisieren können.“
Sichtbarkeit als Währung
Die aktuellen US-Kartellverfahren gegen Google könnten das digitale Ökosystem erstmals aufbrechen und die Spielregeln im Netz neu schreiben, erläutert Höppner. Das Urteil vom 5. August 2024 im Google Search-Verfahren stellt klar: Google ist Monopolist – und hat diese Stellung durch wettbewerbswidriges Verhalten gesichert, etwa durch exklusive Voreinstellungen auf Apple-Geräten und durch die Kopplung eigener Produkte.
Das US-Justizministerium (DoJ) fordert deshalb weitreichende Konsequenzen:
- Google darf nicht mehr Standard-Suchmaschine sein
- Chrome und Werbeplattformen sollen verkauft werden
- Publisher sollen Zugang zum Google-Index und zu Daten erhalten
- Transparenzpflichten gegenüber Publishern
- Umgehungen durch KI müssen verhindert werden
- Und als letzte Eskalationsstufe: die Abspaltung von Android, Suchtechnologie oder Googles Werbeplattform
Ein Urteil in dem Verfahren wird für August 2025 erwartet. Google habe bereits Berufung angekündigt, so Höppner.
Auch das zweite große Google-Verfahren in den USA, das Ad-Tech-Verfahren in Virginia, trifft einen zentralen Nerv der Verlagsbranche. Google habe systematisch seine marktbeherrschende Stellung genutzt, um Publisher zu benachteiligen, so das Gericht. Das US-Justizministerium fordert die Zerschlagung der Google-Werbeinfrastruktur, darunter AdX und DoubleClick.
Digitale Enteignung durch „AI Overviews“
Parallel zu den juristischen Verfahren verändern Googles Produktentwicklungen die Medienlandschaft radikal. „AI Overviews“ bedient sich - ungefragt - an journalistischer Arbeit, ohne sie zu vergüten oder zu verlinken. Damit sinkt die digitale Sichtbarkeit redaktioneller Inhalte weiter – ersetzt durch synthetische Google-Texte.
Helmut Verdenhalven, Medienpolitik-Chef des BDZV, nennt den massenhaften Inhalte-Diebstahl durch den großen Digitalplattformen „den größten Raub in der Geschichte“. Seine Forderung: „Wir brauchen ein starkes Copyright. Wir können nicht akzeptieren, dass unsere Inhalte einfach geklaut werden.“ Alle Journalisten und Kreativen müssten sich zu Wort melden und für die eigenen Werte kämpfen.
Kampf um wirtschaftliche Souveränität
Die laufenden Verfahren könnten das Machtgefüge im Netz verändern – mit massiven Folgen für Publisher. Wie Inhalte künftig gefunden, verbreitet und vermarktet werden, entscheidet über das Überleben von Medienhäusern. „Es geht nicht nur um Google“, sagt Höppner. „Es geht um die Zukunft der Digitalpublisher.“
Höppners Appell ist deutlich: Redaktionen müssen zusammenstehen und ihre Inhalte schützen. Artikel 5 des Grundgesetzes gilt auch im digitalen Raum. Wer jetzt nicht handelt, riskiert seine digitale Existenz. „Nur wer gemeinsam auftritt, kann politisch und rechtlich wirksam Druck aufbauen.“