USA: Washington Post und LA Times ohne „Presidential Endorsements“

Keine Empfehlung: Zu den Spezifika US-amerikanischer Wahlkämpfe gehört es, dass die großen Zeitungen des Landes traditionell ein presidential endorsement, also eine Wahlempfehlung, abgeben, wer aus Sicht des Editorial Boards der nächste Präsident oder die nächste Präsidentin der Vereinigten Staaten werden sollte. Überraschungen sind dabei normalerweise nicht zu erwarten. Medienkonzerne, die sich eher den Demokraten verpflichtet fühlen und ihr Publikum entsprechend verorten, sprechen sich, wie etwa die New York Times, für Kamala Harris aus; Unterstützer der Republikaner empfehlen die Wahl Donald Trumps.

US-Wahl
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Kurz vor der Präsidentschaftswahl des Jahres 2024 ist alles anders: Als erste gab die Los Angeles Times bekannt, diesmal keine Wahlempfehlung auszusprechen, wenig später folgte die Washington Post (WaPo). Beide Titel werden dem Spektrum der Demokraten zugerechnet. Die Entscheidung wurde von den jeweiligen Inhabern der Zeitung unter Missachtung der Chefredaktion/des Editorial Boards gefällt. Und seither treten nicht nur landesweit beachtete Kolumnistinnen und Kolumnisten von WaPo und LA Times unter Protest von ihrer Position zurück, auch die Leser und Nutzerinnen laufen Sturm - und teilen massenweise und aufmerksamkeitsstark die Bestätigung ihrer Abo-Kündigungen via Social Media.

Insbesondere die 2013 von Jeff Bezos gekaufte Washington Post leidet Berichten zufolge unter einem schmerzhaften Nutzer-Schwund: Danach haben mehr als 200.000 Menschen binnen vier Tagen ihre Digital-Abos gekündigt. Das sind rund acht Prozent der bezahlten Auflage der WaPo, die digital zuletzt rund 2,5 Millionen Abonnenten verzeichnete.

Amazon-Chef Jeff Bezos hatte beim Kauf der Washington Post erklärt, sich nicht in die Belange der Redaktion einmischen zu wollen, auch nicht, wenn es um sein eigenes Unternehmen Amazon gehe. Soweit bekannt, hat er sich an dieses Versprechen bisher gehalten. Über die Gründe seines Eingriffs in die redaktionelle Unabhängigkeit der Zeitung wird daher umso heftiger spekuliert. Als eine Art Schadensbegrenzung folgte gestern, Montag, eine persönliche Erklärung Bezos‘, die kluge Einsichten zur aktuellen Debatte über die Glaubwürdigkeit von Medien und die Gefahr eines vorurteilsbehafteten Journalismus‘ in einer zutiefst gespaltenen Gesellschaft enthält. Selbst bei wohlwollendster Betrachtung dieser Überlegungen wird allerdings der – viel zu – späte Zeitpunkt dieser Einlassung öffentlich scharf kritisiert, Leserinnen und Nutzer verweisen parallel auf das anspruchsvolle Motto der „WaPo“: Democracy Dies In Darkness!