Presserat spricht 16 Rügen aus

Vorverurteilung und Verstöße gegen den Opferschutz: Der Presserat, das Selbstkontrollorgan der deutschen Presse, hat auf seinen Sitzungen in der Zeit vom 11. bis zum 14. September insgesamt 16 Rügen wegen Verstößen gegen den Pressekodex ausgesprochen.

 

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Deutscher Presserat

Demnach erhielt das Portal „bild.de“ eine Rüge, weil die Redaktion einem Betroffenen nicht ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hatte. So hatte die Redaktion über einen als Influencer bekannten Geistlichen berichtet, der angeblich kinderpornografisches Material konsumiert habe. In dem Artikel nannte sie personenbezogene Details, ohne dem besagten Influencer vorher genügend Zeit zur Stellungnahme eingeräumt zu haben. Der Presserat sah hier einen schweren Verstoß gegen die journalistische Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 des Pressekodex.
Wegen der Veröffentlichung eines nicht gepixelten Fotos eines Mordopfers erhielt „bild.de“ eine weitere Rüge, da hier laut Presserat ein Verstoß gegen Ziffer 8, Richtlinie 8.2. des Pressekodex vorlag.
Wegen eines ähnlichen Verstoßes erhielt das Portal eine weitere Rüge, da eine Mutter und deren getötete Kinder erkennbar dargestellt worden waren.
Weil das Portal einen Verdächtigen im „Fall Maddie“ mit Foto gezeigt hatte, sprach der Presserat eine weitere Rüge aus. In einem Artikel wurde demnach ein verdächtiger, aber noch nicht angeklagter oder verurteilter Mann abgebildet, der etwas mit dem Verschwinden des Mädchens Maddie McCann zu tun gehabt haben könnte.

Der „Lohhofer & Landkreis Anzeiger“ erhielt eine Rüge, weil er die Pressemitteilung einer Beratungsstelle für Notfall-Vorsorge ungekennzeichnet übernommen hatte. In dieser wurde durch eine reißerische Aufmachung vor einem möglichen Blackout im Zuge der Abschaltung der letzten Atomkraftwerke in Deutschland gewarnt.

Das „Schwabacher Tagblatt“ erhielt eine Rüge, weil es ein Interview mit einem Priester des Bistums Eichstätt veröffentlichte, das nicht von der Redaktion, sondern von einem Mitarbeiter der Pressestelle der Diözese Eichstätt geführt worden war. Den Leserinnen und Lesern wurde das nicht mitgeteilt.

 Wegen einer Überschrift zu Michael Schuhmacher, die in die Irre führe, wurde das Portal „intouch.wunderweib.de“ gerügt. Bei dem Artikel „Michael Schumacher: Ein ehemaliger Weggefährte packt aus”, der mit einem Foto Schumachers bebildert war, ging es anders als suggeriert um die Kritik des Rennfahrers Joan Villadelprat an dessen Kollegen Lewis Hamilton. Villadelprat wurde in dem Artikel als „einstiger Weggefährte“ bezeichnet. Hier sah der Pressekodex eine schwerwiegende Irreführung der Leserschaft.

Die „Neue Osnabrücker Zeitung“ erhielt für die falsche Zitierung und wegen einer fehlenden Konfrontation zweier Zeugen in einem Gerichtsprozess eine Rüge. Unter dem Titel „Abriss oder Windschaden?“ berichtete die Redaktion in der Zeitung und online, zwei Zeugen hätten ausgesagt, ein Bagger habe im Auftrag einer Landesgesellschaft oder der Gemeinde ein historisches Gebäude einreißen lassen. Diese Aussage ging jedoch aus der Pressemitteilung des Gerichts, auf welche sich die Redaktion berief, nicht hervor. Im Beitrag wurde zudem der Bürgermeister zitiert, der den Zeugen eine „bewusste Falschaussage“ vorwarf, ohne, dass die Redaktion den Zeugen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hatte.
Die Zeitung erhielt eine weitere Rüge für die ungeprüfte Übernahme von Telegram-Meldungen. In einem Beitrag in der Zeitung und online berichtete ein Redakteur demnach, dass er Telegram-Kanäle als Informationsquelle über den Krieg in der Ukraine benutze. Indem er Beispiele nannte, verbreitete er laut Presserat auf diese Weise unbestätigte Behauptungen. Das Selbstkontrollorgan sah hier einen Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht gemäß Ziffer 2 des Pressekodex. Diese müsse auch in Meinungsbeiträgen, um welchen es sich bei dem gerügten Artikel gehandelt habe, gelten.

Die „Rhein-Zeitung“ handelte sich aufgrund des Abdrucks von gepixelten Fotos eine Rüge ein, die Missbrauchsopfer aus dem „Archiv“ eines katholischen Geistlichen zeigten. Die Darstellung überschritt laut Presserat trotz der Pixelung die Grenze zur Sensationsberichterstattung, da die Opfer durch die Veröffentlichung von Missbrauchsszenen zusätzliche Demütigung erfahren würden, so der Presserat.

Die Online-Ausgabe der „B.Z.“ erhielt wegen der Veröffentlichung eines falschen Fotos eine Rüge. Es zeigte, anders als angegeben, nicht die mutmaßliche Linksextremistin Lina E., sondern eine Klimaaktivistin mit ähnlichem Namen.

Das Portal „welt.de“ wurde für ein Video gerügt, das eine Haiattacke in Ägypten „übertrieben sensationell“ darstellte. Demnach veröffentlichte die Redaktion Szenen aus dem Handy-Video eines Augenzeugen, das den Todeskampf des Opfers zeigt. Eine Szene, in der der Mann unter Wasser gezogen wird, wurde gleich mehrfach gezeigt. Der Presserat sah in der Darstellung des Todeskampfes die Grenze zur unangemessen sensationellen Berichterstattung nach Ziffer 11 des Pressekodex überschritten.

Die Online-Ausgabe des „Münchner Merkurs“ erhielt wegen eines schweren Verstoßes gegen die Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 des Pressekodex eine Rüge. Unter der Schlagzeile „Millionen Heizungen erreichen schon 2024 Austauschpflicht – Experte warnt vor Ansturm“ ging es um die geplanten Änderungen im Gebäudeenergiegesetz. Das Gremium sah in der Passage „Wenn das Gesetz so in Kraft tritt, könnte das für unzählige Heizungsbesitzer bedeuten, dass sie im nächsten Jahr schon ihre Heizung tauschen müssen“ eine Irreführung der Leserschaft.

Die Zeitschrift „Gong“ erhielt wegen Schleichwerbung eine Rüge, weil es in einem Info-Kasten neben einem Beitrag über Tabakerhitzer ein konkretes Produkt des Unternehmens Philip Morris genannt hatte. Da das Produkt ohne redaktionelle Begründung aus einer Palette an ähnlichen Angeboten hervorgehoben wurde, sah der Presserat hier einen Verstoß gegen Ziffer 2, Richtlinie 7.2 des Pressekodex.

Der Presserat sprach neben den 16 öffentlichen Rügen in seinen Sitzungen 21 Missbilligungen und 33 Hinweise aus. 58 Beschwerden wurden laut Mitteilung als unbegründet erachtet, fünf Beschwerden waren begründet, es wurde aber auf eine Maßnahme verzichtet. Insgesamt behandelt wurden 138 Beschwerden. Eine Beschwerde war nicht aufklärbar. Bei vier Beschwerden handelte es sich um Einsprüche und Wiederaufnahmen.