Presserat begrüßt neue Mitglieder und spricht 17 Rügen aus

Der Deutsche Presserat hat neue Mitglieder in seinen Gremien vorgestellt. Im Trägerverein begrüßt das Selbstkontrollorgan der deutschen Presse Sigrun Albert, BDZV-Hauptgeschäftsführerin, und Timo Conraths, DJV-Hauptgeschäftsführer. Negin Behkam, Redakteurin bei „nd.Aktuell“, wird vom Deutschen Journalisten-Verband (DJV) in die Beschwerdeausschüsse  entsandt. Ebenfalls vom DJV kommt Marcel Burkhardt. Sie folgen auf Heike Rost und Ralph Bauer.

privat / privat / BDZV/Brundert / DJV Negim Bekham, Marcel Burkhardt, Sigrun Albert und Timo Conraths (v. li.).

Zudem sprach der Presserat in seinen Sitzungen zwischen dem 21. und 23. März insgesamt 17 Rügen etwa wegen Verstößen gegen die Sorgfaltspflicht und den Opferschutz aus.

So erhielt das Online-Portal focus.de eine Rüge, weil es ein Handyvideo von einer Gewalttat unter Minderjährigen veröffentlichte. Der Presserat sah hier einen Verstoß gegen den Jugendschutz und gegen die Menschenwürde des Opfers.

Die „Volksstimme“ bekam eine Rüge wegen eines schweren Verstoßes gegen die journalistische Sorgfaltspflicht. Hintergrund war, dass ein freier Mitarbeiter der Zeitung unter geändertem Namen über ein Gerichtsverfahren berichtet hatte, an dem er als Kläger beteiligt war.

Die „Berliner Zeitung“ wurde wegen eines Berichts auf ihrem Online-Portal gerügt, weil in einem Liveticker zum 1. Mai 2022 die Vorwürfe einer linksradikalen Plattform gegenüber einem Gewerkschaftsfunktionär ohne inhaltliche Einordnung wiedergegeben worden waren.

Das Portal bild.de erhielt eine Rüge, weil es in einem Artikel Vorwürfe gegen Klimaaktivisten erhob, die sich als falsch erwiesen. So hatte während einer Hörsaalbesetzung eine Person israelfeindliche Flyer verteilt, woraufhin bild.de den Klimaaktivisten Antisemitismus vorwarf. Die Flyer wurden jedoch nicht von den Klimaaktivisten verteilt. Hier lag laut Presserat ein Verstoß gegen die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit vor. Zudem erhielten „Bild“ und bild.de eine Rüge, weil sie eine Politikerin unbelegt als „Autohasserin“ bezeichnet hatten.

Eine weitere Rüge wurde an bild.de ausgesprochen, weil es das Opfer einer tödlich verlaufenen Geiselnahme in einem Bericht identifizierbar mit Bild dargestellt hatte. In einem weiteren Fall wurde die Veröffentlichung eines Opferfotos gerügt, weil die Einwilligung eines nahen Angehörigen der Redaktion nicht vorlag. Für die Abbildung einer getöteten Lehrerin bekamen „Bild“ und bild.de eine weitere Rüge, da gegen Regelungen zum Schutz der Persönlichkeit und des Opferschutzes verstoßen worden war.

Für einen Artikel über Frauen, die von ihren Männern getötet wurden, sind „Bild“ und bild.de eine weiteres Mal gerügt worden. Zudem erhielt bild.de eine weitere Rüge, weil die Redaktion in einem Artikel über eine getötete Frau ein Bild von der Gedenkseite eines Bestattungsunternehmens ohne Einwilligung der Angehörigen übernommen hatte. Für eine Vorverurteilung eines Basketball-Profis sprach der Presserat gegen das Online-Portal eine weitere Rüge aus, weil es in der Überschrift einen Verdacht als Tatsachenbehauptung formuliert hatte und damit gegen Ziffer 13 des Pressekodex (Unschuldsvermutung) verstoßen hatte.

Das Online-Portal taz.de erhielt für die frühzeitige Veröffentlichung eines Nachrufs auf den verstorbenen emeritierten Papst Benedikt XVI. einen Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht, weil auf diese Weise eine noch lebende Person für tot erklärt worden war.

Das „Traunsteiner Tagblatt“ wurde vom Presserat für die Veröffentlichung eines Berichts über ein Soldatendenkmal, in dem Erinnerungen und Briefe aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs gesammelt und dabei nationalsozialistische und kriegsverherrlichende Formulierungen ohne ausreichende Distanzierung der Redaktion veröffentlicht worden waren, gerügt.

Der „Nordkurier“ wurde wegen Schleichwerbung gerügt, weil in einem Artikel eine Therapeutin und deren Praxis ausführlich dargestellt worden war und die Hervorhebung nicht durch ein öffentliches Interesse gedeckt war.

Ebenfalls wegen Schleichwerbung erhielt die Zeitschrift „Gault & Millau“ eine Rüge, weil in einem Artikel über eine Tour durch Südtirol ein BMW i7 mit Text und Foto vorgestellt wurde. Der Presserat sah in der Art der Präsentation des Fahrzeugs ein ungekennzeichnetes Productplacement und sprach eine Rüge aus. Das Online-Portal express.de wurde gerügt, weil ein Artikel über das Angebot eines Lottobetreibers werblichen Charakter hatte, ohne dass dieser als Anzeige gekennzeichnet worden wäre.

Die Zeitschrift „Closer“ bekam vom Presserat ebenfalls wegen Schleichwerbung eine Rüge, weil die Redaktion in einem Artikel homöopathische Wirkstoffe gegen Beschwerden empfohlen hatte, ohne dass eine journalistische Distanz zur Wirksamkeit der Mittel erkennbar war.

Insgesamt sprach der Presserat 17 Rügen, 32 Missbilligungen und 30 Hinweise aus. 65 Beschwerden wurden als unbegründet zurückgewiesen, bei acht Beschwerden wurde auf Maßnahmen verzichtet. 160 Beschwerden wurde in Summe behandelt.