MTM 2023: Der Kundenwunsch als Leitmotiv
„Die gedruckte Zeitung als abgeschlossenes Medium und Verbindung zur Welt ist für viele Menschen, insbesondere Ältere, noch immer ein wahnsinnig wichtiges Medium. Und sie haben ein Recht, Informationen so zu beziehen, wie sie dies wünschen.“
Mit diesem Statement machte Sigrun Albert, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV), auf den Medientagen Mitteldeutschland am 3. Mai deutlich, was die Herausforderung und gleichzeitig das Dilemma regionaler und lokaler Tageszeitungen ist: Es gilt, die Versorgung gerade der ländlichen Gebiete mit dem gedruckten Zeitungsabo sicherzustellen und dies wirtschaftlich trotz der enormen Kostensteigerungen bei der Zeitungslogistik auch weiterhin stemmen zu können.
Welche Rolle seriöser Lokaljournalismus für die Demokratie spielt und ob sich daraus ein Auftrag auch an die Politik ergibt, war Thema der Leipziger Podiumsdiskussion, bei der Moderator Andreas Weise, Leiter ZDF-Landesstudio Sachsen-Anhalt, mit Sigrun Albert, Prof. Janis Brinkmann von der Hochschule Mittweida, Prof. Markus Heinker von der Sächsischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien (SLM) sowie dem SPD-Bundestagsabgeordneten Helge Lindh die Zukunftsperspektiven der Lokal- und Regionalmedien diskutierte.
„Umerziehung“ auf Digital vielfach nicht gewünscht
Zwar werden digitale Zeitungsangebote immer stärker nachgefragt. Gleichwohl möchten viele der älteren Zeitungsabonnenten nicht auf ihr gedrucktes Exemplar verzichten und sind nicht bereit, auf Digital umzusteigen – trotz vielfacher Bemühungen der Verlage. „Der Kundenwunsch muss unser Leitmotiv sein“, machte Albert deutlich. Ziel sei und bleibe ein qualitativ hochwertiger Journalismus im Lokalen. Dessen Sicherstellung sei aber immer auch eine gesellschaftliche Aufgabe, nicht nur eine rein wirtschaftliche, so Albert.
Zustimmung gab es dafür von SPD-Politiker Helge Lindh, der sich für eine Zustellförderung der lokalen Tageszeitungen stark machte: „Es gibt nun mal Menschen, die sich nicht umerziehen lassen und die weiterhin ihre Informationen über die gedruckte Lokalzeitung beziehen wollen. Daher müssen wir für eine gewisse Übergangszeit ihre Versorgung mit lokaler Berichterstattung sicherstellen. Das sehe ich auch als Aufgabe der Politik“, erläuterte Lindh. Eine seriöse Informationsversorgung im Regionalen sei schließlich Teil der demokratischen Daseinsvorsorge. Lokalpresse schaffe demokratische Teilhabe und Partizipation vor Ort.
Im Koalitionsvertrag verankert
Der Ball liege jetzt im Kanzleramt: „Wir haben uns im Koalitionsvertrag die Aufgabe gestellt, uns dieses Themas anzunehmen“, erinnerte Lindh. Und: „Ich sehe in der Ampelkoalition eine deutliche Mehrheit für eine Zustellförderung.“ Ohne eine solche Zustellförderung werde es Marktveränderungen geben und die Verlage würden weitere Gebiete nicht mehr mit der gedruckten Zeitung versorgen können. Ein Teil der Bevölkerung, vor allem auf dem Land, würde damit von qualitätiven Informationen abgehängt. „Mit allen bekannten Konsequenzen zum Beispiel bei der Wahlbeteiligung“, befürchtete Lindh.
Während Brinkmann bezweifelte, dass sich junge Menschen überhaupt noch für lokale Informationen interessieren, unterstrich der Medienpolitiker Heinker die demokratieverstärkende Wirkung von lokaler Berichterstattung. Es gelte, nationale und globale Themen auf die lokale Ebene herunterzubrechen und die Menschen damit abzuholen.
Einigkeit herrschte bei der Abschlussfrage von Moderator Weise, ob es 2035 noch gedruckte Zeitungen geben werde. Zwar liege die Zukunft im Digitalen, so die einhellige Meinung, aber auch das Printmedium werde einen Platz behalten. Nur wo und wie, das dürfte Verlage und Politik noch eine Weile beschäftigen.