Hausaufgaben für die Zeitungsbranche

BDZV und VBZV mit gemeinsamem Panel bei den Medientagen München

„Machen Sie Ihre Hausaufgaben.“ Diese freundliche Aufforderung von Dr. Dirk Johannsen, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Katzengruber, hätte als Motto über dem Panel stehen können, zu dem Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) und Verband Bayerischer Zeitungsverleger (VBZV) anlässlich der Medientage München 2022 eingeladen hatten. Denn hinter dem eigentlichen Titel „Keine gewöhnliche Branche, keine gewöhnlichen Jobs: Arbeiten in der Medienbranche“ verbirgt sich eine zunehmend drängendere Frage: Welche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter brauchen wir? Wo finden wir sie und wie können wir sie halten?

Medientage München 2022
Medientage München

„Wir erwarten einen Vertrauensvorschuss in unsere Leistung“, formulierte etwa Helen Krueger-Janson, Studierende in der 60. Lehrredaktion der Deutschen Journalistenschule (DJS) München, selbstbewusst eine ihrer Forderungen an Arbeitgeber aus der Medienbranche. Damit dürfte sie gerade auch den vielen jungen Leuten im Publikum aus dem Herzen gesprochen haben. Ebenso mit ihrem Wunsch nach größerer Flexibilität in den Redaktionen, sei es bei der Wahl zwischen Home-Office und Büro oder bei der Wochen-Stundenzahl. Die Branche müsse sich, so Krueger-Janson, darauf einrichten, dass künftige Mitarbeiter „nicht mehr in die Pass-Schablonen der Stellenausschreibungen passen“.

Christoph Linne, Chefredakteur "Nordsee-Zeitung“, beklagte, dass die Zeitungen sich über Jahre schlechter gemacht hätten, als sie sind. „Wir haben uns stark mit uns selbst beschäftigt und nicht mit dem Markt draußen.“ Mittlerweile herrsche branchenübergreifend ein Kampf um die besten Köpfe. Immer öfter sei die Sinnfrage Thema in den Bewerbungsgesprächen. „Unsere Arbeit muss Sinn stiften. Wir müssen einen Beitrag dazu leisten, dass Menschen, die heute in der Krise sind, kluge Entscheidungen für ihr Leben treffen.“

Bei der Frage nach dem Image von Zeitungsunternehmen hakte auch Henriette Löwisch, Leiterin und Geschäftsführerin Deutsche Journalistenschule, ein. Die wenigsten ihrer Absolventinnen und Absolventen interessierten sich für regionale Zeitungen. Wertschätzung bedeute auch „Investieren“, machte Löwisch deutlich. Die DJS habe mit mittlerweile acht Zeitungshäusern gemeinsame Regional-Fellowships eingeführt: Hier könnten DJS-Studierende „drei Monate ein eigenes Projekt zu einem anständigen Volontärsgehalt“ verfolgen. „Der Aufwand ist überschaubar, der Return wirklich hoch, das können die Häuser aufzeigen“, erklärte die Schulleiterin stolz. Jetzt müsse die Branche noch lernen, solche Erfolge auch offensiv zu bewerben.

„Wertschätzung“ war ein Stichwort ebenso für Jürgen Baldewein, Geschäftsführer Süddeutsche Zeitung Logistik GmbH. Zusteller etwa würden auf allen Kanälen händeringend gesucht. „Das Schlimmste ist, wenn morgens die Zeitung nicht im Briefkasten ist, das ist ein hoch emotionales Thema.“ Wenn sich ein Bewerber melde, erhalte er binnen 24 Stunden eine Antwort, versichert der Manager. Er stehe vor der Herausforderung, dass er seine Leute, die in den frühen Morgenstunden die Zeitung austragen, eigentlich nie zu Gesicht bekomme. Auch hier helfe die Digitalisierung: „Wir haben eine App für unsere Zusteller im Roll-Out. Damit gibt es schnelles Feedback in beide Richtungen“ und in der Folge eine stärkere Bindung ans Unternehmen.   

Einig waren sich die Teilnehmer der von Florian Wende, Stellvertretender Leiter Redaktion Freistunde bei der Mediengruppe Attenkofer, moderierten Talkrunde, dass es viele Möglichkeiten gibt, eine Branche, die so wichtig für die Demokratie ist wie die Zeitungen, im Bereich Human Resources zu stärken. Branchenberater Johannsen etwa rief zu Kundenorientierung statt Produktorientierung auf, empfahl Coaching neuer Mitarbeiter und Mentoring durch Führungskräfte. Sein Credo: „Ihre Mitarbeiter sind Ihre Jobbotschafter.“ Helen Krueger-Janson analysierte, dass es in den Redaktionen im Vergleich mit anderen Branchen weniger Frauen in Führungspositionen, weniger diverse Mitarbeiter und weniger LGBTQ-Personen gebe. „Das sollte sich ändern.“  Schulleiterin Henriette Löwisch formulierte es so: „Wer als Zeitung gute Mitarbeiter für diesen unglaublich anspruchsvollen Beruf bekommen will, muss ein klares Versprechen machen - dass sie die Digitalisierung durch Qualitätsjournalismus gewinnen will."