Die Zustellung von Zeitungen auch in der Krise sichern

BDZV-Konferenz Verlagslogistik zu Perspektiven in einem schwierigen Marktumfeld

Die Bewältigung der „letzten Meile“, wie die Zustellung von Zeitungen bei Verlagslogistikern auch bezeichnet wird, stellt in Zeiten vielfältiger Krisen für die Medienhäuser eine immer größere Herausforderung dar: Höhere Lohnkosten, steigende Preise für Energie und Schwierigkeiten beim Recruiting sorgen für einen „perfekten Sturm“, den es zu bewältigen gilt, um das nach wie vor gefragte Printprodukt Zeitung weiterhin zuverlässig in die Briefkästen der Republik zu bringen.

Bei der BDZV-Konferenz Verlagslogistik am 29. November 2022 in Berlin ging es um intelligente Lösungen für die Zukunft. Dieses Thema sei, betonte Christian Eggert, Leiter Verlagswirtschaft beim Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV), Dreh- und Angelpunkt der Veranstaltung. „Der Sturm, auf den wir uns jahrelang vorbereitet haben, jetzt sind wir mittendrin“, so Eggert. Das erfordere wetterfeste und zukunftsfähige Erlösmodelle, mit denen sich die Häuser in einer veränderten Medienlandschaft behaupten können.

BDZV Konferenz Verlagslogistik
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Unterschiedlich wie die Zeitungen in Deutschland sind auch die Ansätze: So machte etwa Benedikt Hüffer, Geschäftsführer der Unternehmensgruppe Aschendorff (Münster), in seiner Keynote gleich zu Beginn deutlich, dass er nach wie vor an die gedruckte Zeitung glaube: „Es wird immer Zeitungsleser geben, die sich ein haptisches Produkt wünschen“, war er sich sicher. Es müsse nur gelingen, die Organisation auf neue Marktanforderungen und ständig wechselnde Rahmenbedingungen auszurichten. Die Verlagslogistik verfüge neben der Deutschen Post über das „einzige Netz, das zustellfähig ist“ – und dies sei eine große Chance

Der Briefkasten werde dauerhaft am Markt bestehen und sei ein guter Kontaktpunkt. Wenn die Logik der Zustellung weitergedacht werde, etwa mit Zustellungen in der Nacht, könnte das Geschäftsmodell der Regionalverlage aufrecht erhalten bleiben, betonte Hüffer.

Dass dieses Modell dennoch zunehmend auf Hürden treffen wird, verdeutlichte Sebastian Reimann, Chefredakteur Deutsche Verkehrszeitung (Hamburg), in einem Vortrag über Trends und Herausforderungen in der Logistik, den Christian Eggert in Vertretung übernahm. Durch die Corona-Pandemie seien die Lieferketten unterbrochen worden und zum Teil immer noch gestört. Dies habe zu Preissprüngen geführt, die nicht zuletzt durch die anhaltende Energiekrise und Personalmangel verschlimmert würden. Dennoch könne durch die „Mega-Trends“ Digitalisierung und Automatisierung, E-Commerce und City-Logistik sowie Alternative Antriebe die Krise gemeistert werden. Das zeige sich bereits jetzt in einem „kleinen Lichtblick“: Erstmals seit Monaten sinken die Preise für weltweite Logistik wieder.

Zustellung optimieren und mehr Personal gewinnen

Einen Weg zu einer optimierten Zustellung, mit der Verlage Geld und CO2 sparen können, zeigte Christian Weist, Abteilungsleiter Service/Verwaltung VRM Logistik (Mainz), auf. Durch die Einsparung von Wegstrecken könne, so Weist, CO2 minimiert und die Arbeitszeit verkürzt werden. Voraussetzung sei die Optimierung der Zustellgebiete, die einen positiven Wandel für alle Beteiligten mit sich bringe. Change-Prozesse könnten auf diese Weise als Chance begriffen werden. Voraussetzung sei, dass alle Beteiligten eingebunden würden, vom Gebietsleiter bis zum Zusteller.

Eine große Veränderung in ihrer Logistik machte die Bruns Medienlogistik (Minden) in den zurückliegenden Monaten durch, wie Geschäftsführer Oliver Geissler erläuterte. Die Logistiker entschieden sich in Absprache mit der Redaktion, den Andruck des „Mindener Tageblatts“ um drei Stunden nach vorne zu verschieben, um eine Zustellung in den Morgenstunden zu garantieren. Dadurch gehe zwar Aktualität in der Printausgabe verloren, doch diese werde durch das E-Paper ausgeglichen, das Abonnenten kostenlos als Add-On beziehen könnten. Weniger Reklamationen aufgrund von verspäteten Zustellungen seien seit der Umstellung zu beobachten – und die Redaktion sei glücklich, dass ihr Produkt nun alle Abonnenten zuverlässig erreicht, erklärt Geissler.

Dass die Bereiche Lesermarkt, Redaktion und Verlag in Minden Einschränkungen für die Aktualität der gedruckten Ausgabe in Kauf nehmen, um der Zustellung mehr Zeit zu verschaffen, sei ein bemerkenswerter Schritt, betonten Konferenzteilnehmer in der lebhaften Diskussion zu diesem Thema. Eine Umfrage unter den Teilnehmern ließ erkennen, dass auch in weiteren Verlagen über eine Verschiebung des Zeitfensters für die Zustellung in die früheren Nachtstunden diskutiert wird.

Wer eine Tageszeitung abonniert hat, möchte diese morgens zuverlässig im Briefkasten finden. Aus unterschiedlichen Gründen klappt das nicht immer, meist fehlt es an geeignetem Personal. Hans-Jürgen Steffens, selbstständiger Berater für Logistikdienstleitungen aus Aachen, zeigte den Konferenzteilnehmern auf, wie es noch effizienter gelingen kann, alle Interessenten im Arbeitsmarkt als Zusteller zu gewinnen. Sein Tipp: Der Einsatz von Recruitern direkt vor Ort, die in das Team der Verlagslogistiker eingebunden sind und um die Probleme und Herausforderungen dieses besonderen Berufs Bescheid wissen. „Recruiting regional vor Ort ist einer der wichtigsten Bausteine, um ein Zustellnetzwerk aufrecht zu erhalten“, versicherte Steffens.

Darin stimmte auch Christian Friske, Geschäftsführer SPL Südwest Presse Logistik (Ulm) überein, der es mit Hilfe geeigneter Tools geschafft hat, ein effektives Bewerbermanagement in seinem Betrieb aufzubauen. Diese Werkzeuge machen Bewerbungen aus mehreren Kanälen auf einen Blick sichtbar – schnelle Rückmeldungen sind dadurch möglich. „Personalmangel kann so effektiv behoben werden“, erläuterte Friske. Wichtig ist ihm, dass die neuen Mitarbeiter auch nach der Einstellung nicht alleine gelassen werden. „Eine gute Einarbeitung und Care Calls nach einer gewissen Zeit helfen dabei, die Mitarbeiter zu halten.“

Neue Ideen für die Zustellung

Software kann nicht nur beim Bewerbermanagement hilfreich sein, auch im Prozess der Zustellung bietet sie große Vorteile, wie Jürgen Baldewein, Geschäftsführer SWMH Logistik (München), und Ivana Soddu von der Firma German Autolabs aufzeigten. Gemeinsam entwickelten sie die App „Digitales Zustellbuch“. Sie hilft Zustellern bei ihrer Arbeit, indem sie Routen vorgibt, Zustellhinweise einblendet oder Quittungen ausstellt. So kann Papierkram während der Zustellung minimiert werden. Da die Zusteller oft alle Hände voll zu tun haben, funktioniert die App über Spracherkennung. Jürgen Baldewein ist überzeugt: „Wir müssen mehr in unsere Systeme und unsere Zusteller investieren“, dann wachse auch der Ertrag.

Ein Zukunftsszenario für die Tageszeitungslogistik machte Bernd Rademann, Geschäftsführer der Nordkurier Logistik (Neubrandenburg), auf. Die Zustellung auf dem Land sei eine völlig andere als in der Stadt. In ländlichen Gebieten sei sie deutlich teurer und müsse deswegen in andere Logistikbereiche integriert werden. So könnten Paketlieferungen dabei helfen, neue Erlösmodelle für die Verlage zu schaffen. In naher Zukunft könnte es möglich sein, dass Tageszeitungen in einem Verbund aus Briefen und Paketen ausgeliefert würden. Eine hybride Logistik, die sich nicht mehr nur auf ein Produkt konzentriere, sei, so Rademann, hochrentabel und damit ein Rezept für die Zukunft.