Deutscher Presserat: 17 Rügen, Kirsten von Hutten neue Sprecherin

Verstöße gegen die Sorgfaltspflicht: Der Deutsche Presserat hat in der vergangenen Woche in seinen Sitzungen vom 22. bis 24. März 17 Rügen ausgesprochen. Außerdem verkündete das Selbstkontrollorgan der Presse, dass der „Bild“-Artikel „Die Lockdown-Macher" presseethisch zulässig sei. Ferner wurde die Juristin Kirsten von Hutten turnusgemäß zur neuen Sprecherin ernannt.

Logo des Deutschen Presserats
Deutscher Presserat

Der Artikel „Die Lockdown-Macher“, der im Dezember vergangenen Jahres bei „Bild“ und bild.de erschienen ist, verstoße laut einem Beschluss des Presserats nicht gegen den Pressekodex. Die „vorgenommene Bezeichnung der drei Experten als ‚Lockdown-Macher‘ hat einen Tatsachenkern und verletzt deshalb nicht die journalistische Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 des Pressekodex“, zitiert der Presserat in einer Mitteilung den Beschwerdeausschuss. Das Gremium habe die Beschwerden gegen den Artikel deswegen als unbegründet zurückgewiesen.

17 Rügen ausgesprochen

Insgesamt 17 Rügen sprach der Presserat bei seiner jüngsten Sitzung aus, hauptsächlich wegen Verstößen gegen die Sorgfaltspflicht und des Opferschutzes ausgesprochen worden, aber auch wegen Schleichwerbung. So erhielt das Portal „The European“ wegen eines „schweren Verstoßes gegen das Gebot zur Wahrheit nach Ziffer 1 des Pressekodex“ eine Rüge. Die Redaktion habe eine britische Covid-Studie fehlgedeutet und behauptet, dass Geimpfte für etwaige Mutationen anfälliger seien als Ungeimpfte, die laut Artikel eine „permanente Immunität erlangten“.

Das Portal cicero.de erhielt eine Rüge, weil es „schwerste Vorwürfe“ veröffentlicht habe, ohne die Betroffenen zu hören. Es habe ein Interview mit einem Nanowissenschaftler geführt, „in dem dieser dem Virologen [Christian Drosten] vorwirft, die Öffentlichkeit über einen nicht-natürlichen Ursprung des Corona-Virus gezielt getäuscht zu haben, um eine Labor-Herkunft zu vertuschen“. Die Vorwürfe seien nicht journalistisch eingeordnet worden.

Bild.de erhielt mehrere Rügen: für die falsche Wiedergabe eines Zitats des ehemaligen griechischen Finanzministers Yanis Varoufakis; für die Berichterstattung über die Fahndung nach der Tötung von zwei Polizisten in Rheinland-Pfalz, weil einer der Tatverdächtigen in einem Bild zunächst unverpixelt abgebildet zu sehen war; für die Veröffentlichung eines Porträtfotos einer tödlich verunglückten Seniorin auf bild.de wurde ebenfalls gerügt, da die Angehörigen nicht zugestimmt hatten; für einen Bericht über einen Wohnungsbrand, weil es den Betroffenen, der bei dem Brand seine Ehefrau verloren hatte, in einem Foto erkennbar dargestellt hatte; für ein Video, das die verpixelten Aufnahmen einer Kindesmisshandlung zeigt; sowie für die Veröffentlichung des Fotos eines verletzten Mannes, der aus einem Hochhaus in Jersey City (USA) gefallen war.

Das Portal „Die Glocke“ wurde gerügt, weil es laut Presserat „Desinformation ohne journalistische Einordnung veröffentlicht“ hatte. Die Zeitung hatte auf einer Seite „in fünf Artikeln Ärzte und eine Apothekerin aus der Region mit Ansichten zur Corona-Pandemie zu Wort kommen lassen, die dem Forschungsstand widersprachen“.

Die „Welt am Sonntag“ wurde wegen des Verstoßes gegen Ziffer 5 des Pressekodex gerügt, weil die Vertraulichkeit einer Informantin verletzt wurde. Die Zeitung hatte in einem Artikel aus einem als Hintergrundgespräch bezeichneten Interview mit einer „prochinesischen Influencerin“ zitiert und den Namen der Gesprächspartnerin dabei genannt.

Die „Schweriner Volkszeitung“ erhielt eine Rüge, weil sie in der Berichterstattung über einen Missbrauchsprozess ein Foto des angeklagten Stiefvaters veröffentlicht hatte, auf dem dieser identifizierbar gewesen war.

Rügen wegen Schleichwerbung

Die „Hörzu“ wurde wegen Schleichwerbung für ein Medizinprodukt und einen Diät-Shake gerügt, da „in beiden Fällen der durch die namentliche Nennung entstandene werbliche Effekt nicht hinreichend von einem öffentlichen Interesse gedeckt“ gewesen sei.

Die Zeitschrift „Streaming“ erhielt für eine Zigarettenalternative eine Rüge, da das Produkt ausführlich losgelöst vom Thema der eigentlichen Berichterstattung vorgestellt worden sei. Für die Bewerbung einer digitalen Parkscheibe erhielt wuv.de eine Rüge, da das Produkt in einer „werblichen Art und Weise“ beschrieben und der Preis des Produkts genannt worden sei.

Der „General-Anzeiger“ (Bonn) und express.de erhielten für redaktionelle Beiträge über in der Region ansässige Lottogewinner je eine Rüge, weil in der Berichterstattung „mehrfach der konkrete Lotterieanbieter“ genannt worden war und auf beigestellten Fotos zudem „plakativ das Logo der Lotterie zu sehen“ war. Der „Stern“ erhielt für die Veröffentlichung von zwei Rezepten eine Rüge, da in ihnen ein konkreter Whiskey bzw. Weißwein genannt worden war und die Produkte in Fotos zu sehen waren, ohne dass dafür ein „öffentliches Interesse“ bestanden habe, wie es zur Begründung hieß.

Neue Sprecherin gewählt

Der Deutsche Presserat wählte zudem die Juristin Kirsten von Hutten zur ehrenamtlichen neuen Sprecherin. Sie wird vom Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) entsandt und löst damit turnusgemäß Sascha Borowski vom Deutschen Journalisten-Verband (DJV) ab, der künftig als stellvertretender Sprecher fungieren wird.

Kirsten von Hutten ist Justiziarin bei Gruner + Jahr (Hamburg) und seit 2016 Mitglied im Presserat, wo sie seit 2019 stellvertretende Beschwerdeausschuss-Vorsitzende ist und seit 2020 als stellvertretende Sprecherin fungierte.