Deutscher Medienkongress – Gute Geschichten

Hatte im vergangenen Jahr noch Axel Springer-Manager Jan Bayer mit seinem Plädoyer für die „bewusste Reichweite“ den Auftakt gegeben, suchten die Verantwortlichen des Deutschen Medienkongresses 2020 ihre beiden Keynote-Speaker am 29. und 30. Januar außerhalb der Medien: Den Anfang machte am ersten Kongresstag der Politiker Günter Verheugen – „Nie war guter Journalismus so wichtig wie heute“. Am zweiten Kongresstag übernahm Bernhard Pörksen, Professor für Medienwissenschaft an der Universität Tübingen, diese Aufgabe. Und das war ein Erlebnis für alle, die sich mit dem Erzählen guter Geschichten beschäftigen.

„Gute Geschichten“, so Pörksen, müssen drei Kriterien erfüllen: Sie bedienen archetypische Muster, etwa der Kampf David gegen Goliath oder Greta Thunberg, ein kleines Mädchen, das eine weltweite Bewegung auslöst. Diese Storys haben eine Botschaft, die über sie selbst hinausweist. Gute Geschichten arbeiten, zweitens, mit starken Symbolen. Und sie sind drittens offen, „sie erzählen niemals alles“, erläutert der Wissenschaftler, der selbst ein vorzüglicher Geschichtenerzähler ist. 

Als Beispiel zitiert Pörksen eine Ernest Hemingway zugeschriebene Anekdote, wonach der Schriftsteller beim Trinken mit Freunden im Wettbewerb um die kürzeste Kurzgeschichte „ohne zu zögern“ auf einem Bierdeckel gerade einmal sechs Worte notiert habe: „For Sale: baby shoes, never used.“ Eine perfekte Story, so Pörksen, die nur andeute und es der Phantasie der Leser überlasse, die (womöglich tragischen) Leerstellen auszufüllen.

Allerdings verändere sich Storytelling im digitalen Zeitalter, führte der Medienwissenschaftler weiter aus, und identifizierte auch hier drei Kriterien: Im Netz gehe es um „Dominanz“. Geschichten würden missbraucht, um einen Hype zu erzeugen, Lügen zu verbreiten und  Stimmungen zu verstärken. Ferner setze die „totale Kommerzialisierung“ der postmodernen Erregungsindustrie nicht auf das Erzählen von Wahrheit, sondern auf das Erzielen von Effekten. Öffentlichkeit werde boulevarisiert, „Sie müssen immer gegen den Superlativ antreten“. Drittes Kriterium sei die „Hysterisierung“, Beispiel „Oma-Gate“. „Erregung eskaliert heute blitzschnell“, kommentiert Prörksen.

„Horizont“-Awards verliehen

Im Rahmen des Deutschen Medienkongresses hat die Fachzeitschrift „Horizont“ (Frankfurt am Main) zum 37. Mal die Männer und Frauen des Jahres ausgezeichnet: In der Kategorie Medien wählte die Jury Barbara Schöneberger zur „Frau des Jahres 2019“. In der Kategorie „Marketing“ geht der Preis an Judith Borowski, Chief Brand Officer von Nomos Glashütte. Oliver Janik, Dennis May und Christoph Pietsch von DDB Germany sind die „Männer des Jahres 2019“ in der Kategorie Agenturen.