Wiebke Hollersen

Kurzbiographie der Nominierten in der Kategorie Bestes lokales Stück 2025

Wiebke Hollersen, geboren 1975 in Ost-Berlin, hat bei der Berliner Zeitung volontiert, in Berlin und Hamburg für den Spiegel gearbeitet und bei der Welt am Sonntag über Wissenschaft geschrieben, zuletzt als stellvertretende Ressortleiterin. Mitten in der Pandemie beschloss sie, wieder Reporterin zu werden und ist seit 2021 zurück bei der Berliner Zeitung, im Ressort Dossier. Man kann sie auch auf Radioeins vom rbb und bei NDR Info als Kommentatorin hören.

Wiebke Hollersen
Stephan Pramme

Im Interview

Wie entstand die Idee und wie haben Sie recherchiert?

Es war eine kleine Meldung aus einem der zwölf Berliner Bezirksparlamente: In Treptow-Köpenick, im Südosten der Stadt, sollte ein Stadtrat abgewählt werden. So etwas kommt äußert selten vor, eigentlich nur bei schweren Verstößen. Der Mann war in seiner zweiten Amtszeit, große Fehler wurden ihm nicht vorgeworfen. Aber er war in der AfD. Und die gesellschaftliche Stimmung hatte sich gedreht, nach dem Correctiv-Bericht über ein Treffen von AfD-Politikern und Rechtsextremen in Potsdam waren Millionen Menschen gegen die Partei auf die Straße gegangen. Nun wollten auch die Bezirkspolitiker handeln. Eine große, vielleicht die größte politische Frage unserer Zeit - wie umgehen mit der AfD? - wurde auf der kleinsten politischen Ebene ausgefochten. Das interessierte mich sofort. Ich besuchte Sitzungen des Bezirksparlaments, sprach mit Verordneten von allen größeren Parteien im Bezirk und besuchte auch den Stadtrat, der abgewählt werden sollte. Außerdem sah ich mir an, wie andere Berliner Bezirksparlamente mit der AfD umgehen und sprach mit Menschen, die die erste Amtszeit des umstrittenen Stadtrats miterlebt hatten.

Vor welchen Herausforderungen standen Sie dabei?

Darf man über AfD-Politiker berichten? Darf man sie auch persönlich treffen, mit ihnen sprechen? Das sind Fragen, die unter Journalisten seit Jahren kontrovers diskutiert werden. Schnell bekommt man den Vorwurf, man würde ihnen damit nur eine Bühne bieten, sie „normalisieren“, wenn man sie zu Protagonisten eines Textes macht. Über diese Fragen habe ich viel nachgedacht und mit Kollegen gesprochen. Im Prinzip geht es uns ähnlich wie den Politikern auf allen Ebenen, auch wir ringen um den richtigen Umgang mit der AfD. Außerdem wollte ich unbedingt mit Politikern aus allen großen Fraktionen im Bezirksparlament reden, bei einigen dauerte es etwas länger, bis sie zusagten und sich auf das komplizierte Thema einließen.

Von wem wurden Sie unterstützt?

Von meinen Kollegen bei der Berliner Zeitung im Ressort Dossier und aus dem Politikressort. Mit Telefonnummern, Gesprächen, bei der Textarbeit.

Was macht für Sie guten Journalismus aus?

Ganz altmodisch: Sagen, was ist. Recherche und Gegenrecherche. Nicht nur mit denen sprechen, die ich für die Guten halte, auf deren Seite ich persönlich stehe, sondern auch mit ihren Gegnern, mit der anderen Seite, mit Beobachtern. Versuchen, sich klar zu machen, wie eigene Haltungen, Prägungen, Vorurteile die eigene Arbeit beeinflussen. Eine gute Reportage ist niemals ein Leitartikel, sie kämpft nicht für eine Sache, sondern sie erzählt. Von der Welt, vom Leben, von Menschen, mit allen Widersprüchen und Grautönen, die es nun mal gibt.

Was braucht ein herausragender Artikel?

Er muss gründlich und von allen Seiten recherchiert sein, siehe oben. Das ist das wichtigste. Erst danach kommen: eine Sprache und Struktur, die es dem Leser einfach machen, zu folgen, die ihn fesseln.

Was erwarten Sie von der Preisverleihung?

Eine Feier des Journalismus, der es sich nicht einfach macht. Tolle Kollegen treffen und neu kennenlernen. Ich selbst werde natürlich furchtbar nervös sein.

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