Frank Hommel
Kurzbiographie des Nominierten in der Kategorie Bestes lokales Stück 2025
Nach einer kaufmännischen Ausbildung in der Lkw-Branche nahe Freising bei München landete Frank Hommel, Jahrgang 1973, zufällig im Journalismus: Das Abitur im zweiten Bildungsweg finanzierte er unter anderem als freier Mitarbeiter der Lokalredaktion Plauen/Vogtland der Freien Presse Chemnitz. Nach dem Studium der Diplom-Journalistik in Leipzig und einer Station beim Freien Wort in Suhl verschlug es ihn 2010 zur Freien Presse zurück. Um das Motto „Nomen est omen“ komplett zu machen, lebt er heute in Freiberg zwischen Chemnitz und Dresden. Dort hütet er drei Kinder, ist Co-Trainer eines Bambini-Fußball-Teams und fand irgendwie noch Zeit für die Bücher „Den Wolken ganz nah“ (2012) über eine ganz besondere Wanderung sowie „Bergbau, Erde, Mensch“ (2020) über das Bergbau-Erbe des Erzgebirges (2019), jeweils gemeinsam mit Eva-Maria Hommel.

Im Interview
Wie entstand die Idee zu Ihrem Beitrag und wie haben Sie recherchiert?
Die Asylbehörden in Chemnitz standen aufgrund anscheinend zweifelhafter Entscheidungen immer wieder in der Kritik. Damit sind viele Kollegen der „Freien Presse“ immer wieder befasst. Ich hatte beispielsweise Kontakt zu einer Informantin, die mich auf mehrere Fälle aufmerksam machte, bei denen die Behörde Chemnitz ihrer Meinung nach falsch agierte. Jonathan Sachse von Correctiv, den ich bei einem Seminar kennengelernt hatte, hatte die Frau an mich verwiesen. Es gab erste Gespräch mit Betroffenen. Wenig später stieß ich im Netz zufällig auf eine Spendenaktion für Adel Matar/Alkhaldy, die ungewöhnlich große Resonanz erzielte. Und ich stellte fest, dass Herr Matar/Alkhaldy zu den Fällen gehörte, die mir die Informantin ans Herz gelegt hatte. Ich kannte ihn somit bereits ein bisschen, ohne dass mir die Tragweite seiner Geschichte und seiner Verwurzelung in der Stadtgesellschaft bei gleichzeitig rechtlich ziemlich aussichtsloser Lage sofort bewusst geworden war. Nun fiel die Entscheidung, tiefer in die Recherche einzusteigen und sich dabei auf ihn und seine Geschichte zu konzentrieren.
Vor welchen Herausforderungen standen Sie dabei?
Bei unseren bisherigen Recherchen über die Asylbehörde der Stadt Chemnitz fehlte oft die Sichtweise der Behörde. Akteneinsicht war mit Verweis auf die Schweigepflicht nicht möglich und wurde von den Betroffenen auch nicht immer gewährt. Bei den Vorwürfen, die Adel Matars/Alkhaldys Unterstützer bei der Spendenaktion gegenüber der Stadtverwaltung Chemnitz erhoben, war es aus meiner Sicht aber zwingend, diese Sichtweise zu bekommen. Zumal sich in Gesprächen bald zeigte, dass die Schilderung der Unterstützer womöglich nicht alle Aspekte des Falls offenbarte – oder zumindest keine Belege dafür lieferte. Damit die Behörde sich äußern konnte, bedurfte es aber der Zustimmung von Adel Matar/Alkhaldy – und damit sein Vertrauen. Wollte er Verständnis für seine Situation wecken, musste Herr Matar/Alkhaldy aus meiner Sicht zunächst reinen Tisch machen und keinen Raum für neue Zweifel lassen. Die Herausforderung war, ihm das darzulegen, ohne ihn dabei unter Druck zu setzen. Mein Ziel war, dass Herr Matar/Alkhaldy eine freie und selbstbestimmte Entscheidung darüber treffen konnte, ob er der Behörde umfassend Auskunft über seinen Fall erlaubte.
Von wem und/oder wie wurden Sie dabei unterstützt?
Insgesamt habe ich diese Recherche allein bewerkstelligt. Aber das war nur möglich, da mir das gesamte Team des Ressorts Recherche dafür den Freiraum gegeben und teils andere, aktuelle Recherchen abgenommen hat. Außerdem waren Recherche und Schreiben grundsätzlich nur möglich durch das Vertrauen in der Redaktion in meine Arbeit. Deshalb begreife ich den Artikel dennoch als absolutes Teamwork. Der Dank dafür gilt meinen Vorgesetzten Anne Lena Mösken, Udo Lindner und Oliver Hach sowie meinen Team-Mates Manuela Müller, Jan-Dirk Franke, Jens Eumann, Josua Gerner, Tobias Wolf und Tino Moritz vom Ressort Recherche und dem Landeskorrespondentenbüro Dresden. Danken muss ich natürlich auch all den Menschen, die mir ihre Zeit und ihr Vertrauen für Gespräche schenkten und im Artikel zu Wort kommen.
Was macht für Sie persönlich guten Journalismus aus?
Guter Journalismus sucht nicht allein nach Belegen und unterstützenden Fakten für die Thesen, Aussagen und Zusammenhänge, die er aufzeigen und beweisen möchte. Sondern er setzt noch weit größere Akribie daran, diese selbst aufgestellten, naheliegenden, vermeintlich sensationellen oder gelegentlich auch vermeintlich allgemein gültigen Thesen zu widerlegen. Erst wenn diese Falsifizierung scheitert, darf der Gedanke zugelassen werden, dass eine These „belegt“ und irgendwas „bewiesen“ wäre. Und das auch nur für den Augenblick.
Was braucht ein herausragender Artikel?
Ein herausragender Artikel packt die Leserinnen und Leser in ihrem Innersten und macht etwas mit ihnen (natürlich unter der oben genannten Voraussetzung). Das geht in jedem Genre. Ein Rezept dafür kann es aus meiner Sicht nicht geben. Wenn es dieses Rezept gäbe, ließe sich jeder Artikel danach kochen oder brauen. Dann aber gäbe es keinen einzigen herausragenden Artikel mehr. Vielleicht kann man es so ausdrücken: Herausragenden Artikeln gelingt es, die Erwartungen des Publikums gleichzeitig zu übertreffen wie zu enttäuschen. Eine Blaupause dafür habe ich leider bislang nicht gefunden.
Was erwarten Sie von der Preisverleihung?
Einen schönen Abend, nette Kollegen, Austausch, neue Sichtweisen, Inspiration, ein bisschen Selbstvergewisserung. Die Nominierung empfinde ich als große Ehre. Ich hätte wirklich nicht damit gerechnet, um ehrlich zu sein.