Joachim Budde und Marcus Anhäuser

Kurzbiographie der Nominierten in der Kategorie Reportage 2022

Joachim Budde, Jahrgang 1973, arbeitet seit dem Studium als freier Wissenschaftsreporter. Als Spezialgebiet hat er sich Insekten ausgesucht, weil sie eine einmalige Themenvielfalt ermöglichen: von unheimlichen kleinen Krabbeltieren bis zu Krankheitsüberträgern und Nahrungsmitteln der Zukunft. Er liebt das Radio, vor allem Features, die er für Deutschlandfunk, WDR und Bayerischen Rundfunk schreibt. 2017 stieß er zu den Riffreportern und arbeitet dort vor allem über Naturschutz, Umweltpolitik, Ornithologie und das Coronavirus. Auch da neigt er eher zur langen Form.

Mehrfach preisgekrönt und Robert-Bosch-Fellow. Seit 2021 im Vorstand von Freischreiber, Verband freier Journalistinnen und Journalisten.

 

Marcus Anhäuser, Jahrgang 1968, arbeitet seit über 20 Jahren als Wissenschafts- und Medizinjournalist und seit 2010 auch als Leitender Redakteur beim Projekt Medien-Doktor.de der TU Dortmund (Lehrstuhl Wissenschaftsjournalismus). Er hat für viele überregionale und regionale Print- und Onlinemedien als freie Autor und Redakteur gearbeitet (darunter Süddeutsche Zeitung, Spiegel Online, National Geographic Deutschland, Handelsblatt, Rheinpfalz) vor allem mit Themen zu Biologie und Medizin, ab 2005 einer der ersten, deutschsprachigen Wissenschaftsblogger mit Plazeboalarm.de, Anfänge im Regionaljournalismus bei der Rhein-Zeitung Neuwied ab 1991. Seit 2018 Mitglied der Riffreporter mit der Wissenschaftsserie #CRISPRhistory, Die Biografie der Genschere CRISPR/Cas9

Mehrfach unter den Top 10 der Wissenschaftsjournalisten des Jahres des Medium Magazins, 2011 Platz 3 (mit Holger Wormer) für Medien-Doktor.de; 2011 Nominiert für den Grimme Online Award 2011 (mit Holger Wormer, Medien-Doktor.de).

Joachim Budde und Marcus Annhäuser
privat

Im Interview

Wie entstand die Idee zu Ihrem Beitrag und wie haben Sie recherchiert?

Marcus Anhäuser: Verschiedene Auslöser haben dazu geführt, diese Geschichte zu recherchieren und zu erzählen: Ganz konkret behauptete der Coronaskeptiker Wolfgang Wodarg in einem seiner allerersten Youtube-Videos aus dem März 2020, dass es die Corona-Pandemie nur gebe, weil so viel auf das neue Virus getestet werde. Und dass der Test, der dabei zum Einsatz komme, noch nirgends validiert sei. Wenn da etwas dran gewesen wäre, wäre das natürlich ein Riesen-Skandal gewesen. Zumal die WHO ja diesen PCR-Test aus der Charité weltweit zum Aufspüren von Infektionen mit Sars-CoV-2 empfohlen hat. Da ich mich in einem Projekt zuvor intensiv mit solchen diagnostischen Tests beschäftigt hatte, machte mich das neugierig, weil ich weiß, wie komplex das Thema Virusnachweise und PCR ist und eine Menge über solche Tests behauptet wird, das meist nicht haltbar ist.

Joachim Budde: Die Attacken auf den Charité-Test und seine Macher gingen ja dann weiter. Mal war er den Kritikerinnen und Kritikern zu ungenau, dann wieder zu genau, dann wieder zu wenig überprüft. Im Herbst 2020 hat eine Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern eine eigene Website aufgesetzt, in der sie sich an dem Test und den vermeintlichen Mängeln abgearbeitet hat. Auch in der Bevölkerung haben sich viele Leute von diesen Berichten verunsichern lassen. Das wollten wir uns genau ansehen und die Vorwürfe abklopfen. Allein die Tatsache, dass die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an der Charité den Test in nur zwei Wochen und ohne im Besitz der neuen Coronaviren zu sein entwickelt haben, war schon eine tolle Geschichte.

Marcus Anhäuser: Hinzu kam: Victor Corman war der Erstautor der Veröffentlichung, mit der das PCR-Test-Protokoll der Wissenschaft vorgestellt wurden. Er kam aber in der Berichterstattung überhaupt nicht vor. Dabei sind Erstautoren in der Regel diejenigen, die die wesentliche Arbeit machen.

Vor welchen Herausforderungen standen Sie dabei?

Joachim Budde: Die erste große Herausforderung bestand darin, Victor Corman überhaupt für ein Interview zu gewinnen. Er war bis dahin so gut wie nie in den Medien aufgetreten. Wir warteten zwei Monate lang vergeblich auf eine Antwort. Und dann rief er uns plötzlich an.

Marcus Anhäuser: Zentral waren die Vorwürfe, die Tests sein zu ungenau, oder zu genau und nicht validiert. Da gehen viele verschiedene Ebenen, auf denen Probleme bei solchen Tests entstehen können, durcheinander. Die mussten wir durchdeklinieren und für die Leserinnen und LEer verständlich machen. Es wimmelt von Fachbegriffen und Parametern für die Genauigkeit eines Tests, die eigentlich nur Fachleute kennen, die man aber verstehen muss, wenn man den ganzen Konflikt begreifen will.

Joachim Budde: Wir wollten selbst so unabhängig wie möglich die Vorwürfe einordnen. Dafür haben wir Fachartikel unterschiedlichster Qualität durchgearbeitet und immer wieder mit Fachleuten diskutiert, die mit der Entwicklung des Charité-Tests nichts zu tun hatten. Das war in der Phase der Pandemie sehr schwierig, denn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich auch nur ein wenig mit Viren auskennen, waren mit ihrer Forschung mehr als ausgelastet und ertranken geradezu in Medienanfragen.  

Marcus Anhäuser: Schließlich stießen wir auf ein Problem mit dem sogenannten RdRp-Primer, das bis dahin nirgendwo thematisiert worden war außer eben in der Fachliteratur. Die Primer geben vor, wonach der PCR-Test letztlich sucht. Um zu beurteilen, wie wichtig das Problem tatsächlich war, mussten wir herausfinden, wie die Diagnostiker damit umgehen.

Joachim Budde: Wie bei vielen Wissenschaftsgeschichten gab es auch bei dieser viele Seitenstränge und Nebenaspekte, die wir gern noch erzählt hätten, die den Text noch präziser gemacht hätten oder die wir eigentlich für wichtig hielten. Aber sogar, wenn wir uns nur auf das allerwichtigste beschränkten, wurde schon ein Riesentext aus der Geschichte.

Wie wurden Sie dabei unterstützt?

Joachim Budde: Ohne die Förderung durch den Corona-Recherchefonds der WPK hätten wir die Recherche nicht machen können. Wir sind ja beide Freiberufler und müssen uns tatsächlich bei jeder Geschichte überlegen, ob wir uns die Recherche leisten können. Denn die Medien bezahlen nun mal in der Regel für ein Endprodukt – egal wie lang wir daran gearbeitet haben.

Marcus Anhäuser: Und viel verdanken wir natürlich Tanja Krämer von riffreporter.de, die unseren Text als Redakteurin betreut hat. Jeder Artikel wird durch gute Redaktion besser.

Was macht für Sie persönlich guten Journalismus aus?

Marcus Anhäuser: Dass es gelingt, die komplexe wissenschaftliche Materie verständlich zu machen, Grenzen des Wissens deutlich zu machen, kritisch seine Protagonisten zu hinterfragen, die Relevanz von Problemen einzuordnen und vielleicht auch noch mit einer menschlichen Dimension zu verknüpfen.

Joachim Budde: Ich stimme vollkommen mit Marcus überein und finde darüber hinaus eine gewisse Lösungsorientiertheit wichtig. Journalismus geht über das pure Skandalisieren und Problematisieren hinaus. Und er scheut sich auch nicht davor, komplizierte Themen anzupacken.

Was braucht ein herausragender Artikel?

Ein guter Artikel muss eine Geschichte erzählen mit Konflikten und Hindernissen. Er muss auch scheinbar langweilige Themen so aufbereiten, dass sie die Leserinnen und Leser mitreißt und berührt.

Was erwarten Sie von der Preisverleihung?

Einen schönen Abend im Kreise vieler toller Kolleginnen und Kollegen, mit denen wir einen Abend lang sehr guten Journalismus feiern wollen in dieser inzwischen doch sehr gebeutelten Branche.

Im Video Kategorie Reportage

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