Interview

Wie entstand die Idee zu Ihrem Beitrag und wie haben Sie recherchiert?
Ich lag mit einem Hexenschuss krankgeschrieben zuhause und bekam Mittwochabend einen Anruf, ob ich einen Sonntagsaufmacher schreiben könnte, anlässlich der Fifa-Pläne zu einer WM mit 48 Mannschaften: ‚Wo geht es hin mit dem Weltfußball?‘ Schön einfache Frage. Naja. Ich überlegte kurz, Experten abzutelefonieren, aber dachte dann: Eigentlich geht es doch eher um ein allgemeines Gefühl, dass Fußball gerade zu viel wird. Zumindest ging es mir so. Das Ehrlichste schien mir, dieses Gefühl aufzuschreiben, in der Hoffnung, dass es dem Leser auch so geht.

Vor welchen Herausforderungen standen Sie dabei?
Das Einfache und das Schwierige an der Geschichte war, nicht wie sonst mit Zahlen und Statements zu hantieren, sondern diffuse Gefühle wie Enttäuschung, Wut, Verzweiflung und verschwindende Liebe zu beschreiben. So einfach wie einen Zeitgeist-Pudding an die Wand zu nageln. Damals beschäftigten mich privat gerade Themen wie Trennung und Abschied. Und so kam ich auf die Idee, den Fußball direkt in einem Brief anzusprechen, als wäre er eine Frau, mit der ich gerade darum ringe, ob wir Schluss machen. Diese Metapher passte erstaunlich gut, weil diese Gefühle wohl jeder kennt.

Wie wurden Sie dabei unterstützt?
Ich habe mit Freunden, Bekannten und Kollegen gesprochen, wie sich ihr Verhältnis zum Fußball verändert hat. Und bin in vielen Selbstgesprächen meine Erfahrungen als Fan und Reporter noch einmal durchgegangen. Mein Mitbewohner Nik Afanasjew, ebenfalls Reporter, hat mich darin bestärkt, bei der persönlichen Ebene zu bleiben. Meine Redaktion hat mir die Freiheit und das Vertrauen gegeben, einen solch unsachlichen Text zu einem sachlichen Thema schreiben.

Was macht für Sie persönlich guten Journalismus aus?
Haltung. Ich bilde mir ein, bei Artikeln mittlerweile herauszulesen, ob der Autor wirklich hinter seinem Text stand oder nur geschrieben hat, was andere lesen wollten, was dem Chef und den Kollegen gefällt und die Klickzahlen hochtreibt. Dabei will jeder Leser ein Stück Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit, auch die Ehrlichkeit, dass der Autor zugibt, nicht alles zu wissen. Doch dazu gehören der Mut, anzuecken, die Hartnäckigkeit, an die eigene Geschichte zu glauben, und zuletzt die Selbstkritik zu erkennen, wenn man mal falsch lag. Fehler macht jeder, keine Fehler zu riskieren ist schlimmer.

Was braucht ein herausragender Artikel?
Er sollte dem Leser nicht egal sein, ihm das Gefühl geben: Das betrifft mich, direkt, indirekt oder einfach menschlich. Dabei sind auch Widerspruch und Kritik eine gute Reaktion, denn dann hat der Text bewegt. Wobei ich überrascht war, dass mich die Fans für mein Fußball-Bashing nicht zerrissen haben, sondern mir viele Leser schrieben, ich hätte ihnen aus der Seele gesprochen. Auch mal ein schönes Gefühl, vor allem wenn man riskiert hat, anzuecken.

Was erwarten Sie von der Preisverleihung am 21. Juni in Berlin?
Ganz ehrlich: Ich fühle mich einfach nur geehrt dabei zu sein, zwischen all diesen großartigen Kollegen. Die Nominierung für so einen Preis gibt mir Bestätigung, mit meinen Texten auf dem richtigen Weg zu sein und mich nach dem Sportjournalismus an neue Themen zu trauen. Aber ich bin immer für einen Party-Smalltalk über Fußball zu haben - im Juni ist ja schon wieder Confed Cup...