Interview

Wie entstand die Idee zu Ihrem Beitrag und wie haben Sie recherchiert?
Ich bin Korrespondent der ZEIT in Ostdeutschland und setze mich seit Jahren mit den Pegida-Demos und dem Aufstieg der AfD auseinander. In Sachsen-Anhalt deutete sich an, dass die AfD besonders stark abschneiden könnte. Schon den Abend der Landtagswahl habe ich deshalb an der Seite einiger AfD-Leute verbracht. Als die Partei dann tatsächlich den größten Wahlerfolg ihrer bisherigen Geschichte erreicht hatte - mehr als 24 Prozent -, wollte ich beobachten, wie diese Anti-Establishment-Bewegung im Establishment ankommt. Wie die etablierten Parteien auf eine so starke AfD-Fraktion reagieren, ob sie sie ausgrenzen, ob sie locker oder verkrampft mit ihr umgehen. Und wie die AfD sich gibt, wenn sie plötzlich zweitgrößte Fraktion in einem Parlament ist. Ich bin über Monate immer wieder durch ganz Sachsen-Anhalt gereist, habe lange Abende in Bürgerrunden und auf Landtagsfluren verbracht, habe die Neupolitiker auf Bauernhöfen und in Gemeinderäten besucht – bis sich die AfD-Leute schon wunderten, wenn ich mal nicht da war.

Vor welchen Herausforderungen standen Sie dabei?
In erster Linie: Das Vertrauen der neuen AfD-Abgeordneten zu erwerben, um überhaupt miteinander ins Gespräch kommen zu können. In der Zeit nach der Wahl wollte kaum einer von ihnen mit der Presse sprechen - erst recht nicht über Probleme und Konflikte innerhalb der Fraktion. Ich bin dann ständig bei Parteiveranstaltungen aufgetaucht, habe die Abgeordneten angesprochen und angerufen - und ihnen auch immer wieder erklärt, wie Journalisten arbeiten. Bis sie irgendwann bereit waren, auch hintergründigere, tiefergehende Gespräche zu führen. Ich habe festgestellt, dass viele doch recht offen wurden, wenn man sie nur offen fragte.

Von wem und wie wurden Sie dabei unterstützt?
Vom Geschäftsführenden Redakteur der ZEIT, Patrik Schwarz, der auch Herausgeber der "ZEIT im Osten" ist: Ohne das permanente gemeinsame Nachdenken und Sparring wäre vieles nicht möglich. Von Tanja Stelzer und Wolfgang Uchatius, den Ressortleitern des Dossiers, die dieses Projekt über all die Zeit intensiv begleitet haben. Und von Anne Hähnig, meiner Kollegin im Leipziger ZEIT-Büro, die sich seit Jahren mit mir durch die Untiefen der populistischen Bewegungen und der ostdeutschen Wut arbeitet.

Was macht für Sie persönlich guten Journalismus aus?
Vielleicht: Die Lust, seine eigene Haltung und Gewissheiten infrage stellen zu lassen. Die Bereitschaft, zu verstehen, warum man selber doch falsch liegen könnte. Und der Mut, auch die vermeintlich eigenartigste Meinung erst einmal ernst zu nehmen. Gerade in Zeiten, in denen unser Beruf von vielen so grundsätzlich in Frage gestellt wird.

Was braucht ein herausragender Artikel?
Holger Gertz hat uns an der Journalistenschule beigebracht: Es wäre ganz gut, wenn eine Wurst drin vorkommt. Vielleicht unterscheidet einen herausragenden Artikel von einem beinahe herausragenden Artikel also die Wurst. Oder etwas anderes, das man in diesem Artikel nun überhaupt nicht erwartet hätte.

Was erwarten Sie von der Preisverleihung am 21. Juni in Berlin?
Viele nette Kollegen zu treffen, mit ihnen über unseren Beruf zu diskutieren, neue Ideen mitzunehmen - aber vor allem natürlich gut zu feiern.