Interview

Wie entstand die Idee zu Ihrem Beitrag und wie haben Sie recherchiert?

Um den Jahreswechsel 2015/16 trat „der“ Rechtspopulist meist als Teil einer anonymen Menge in Erscheinung, sei es als wut- und hasserfüllter Leserbriefschreiber oder in einer Pegida-Demonstration. Meine Idee war es, ein paar dieser Menschen in ihrem Wohnzimmer zu treffen, um sie in ihrem „normalen“ Umfeld kennenzulernen und aus dieser Anonymität herauszuholen. Dahinter steckt der Gedanke, weitere Facetten dieser Menschen kennenzulernen.

Meinen Gesprächspartnern habe ich deutlich gemacht, dass ich politisch nicht ihrer Meinung bin; dass ich es aber dennoch für unabdingbar halte, miteinander im Gespräch zu bleiben; und dass ich vor allem zum Zuhören komme und mir dafür alle Zeit nehme, die nötig ist.

Recherchiert habe ich, um die Gesprächspartner zu finden, im eigenen Leserbriefarchiv und dem eines Kollegen. Und ich habe mir eine Gruppe von Pegida-Anhängern in Dresden von einem der aktivsten Islamhasser in Deutschland „empfehlen“ lassen, über den ich seit Jahren berichtet habe. Diesen Weg habe ich gewählt, um zu Hochzeiten der Lügenpresse-Debatte erst gar nicht den Vorwurf aufkommen zu lassen, dass ich bewusst Gesprächspartner auswähle, die sich besonders ungeschickt oder rechtsextrem äußern, um die Pegida-Szene vorzuführen.

Vor welchen Herausforderungen standen Sie dabei?

Es galt zunächst, geeignete Gesprächspartner zu finden. Wobei „geeignet“ in diesem Fall schlicht bedeutete, dass ich Pegida-Anhänger oder wütende Leserbriefschreiber gesucht habe, die bereit waren, sich überhaupt mit einem Vertreter der „Lügenpresse“ zu treffen und ausführlich zu unterhalten.

Anschließend galt es, den richtigen Ton beim Schreiben zu finden, eine Gratwanderung. Ziel war es, meine Gesprächspartner korrekt und fair wiederzugeben, mich nicht mit ihren oftmals rechten und ausländerfeindlichen Äußerungen gemein zu machen, zugleich aber nicht jeden ihrer Sätze zu kommentieren bzw. zu kritisieren. Zur Fairness gehört für mich dabei, auch Pegida- und AfD-Anhänger differenziert darzustellen. Das Beispiel der Protagonistin Jutta Wölk zeigt, wie nötig dies ist: Die AfD-Wählerin gibt seit Jahren Migrantenkindern Nachhilfe, u.a. in Deutsch.

Von wem und/oder wie wurden Sie dabei unterstützt?

Unterstützt hat mich mein Kollege Tom Soyer, der Leser-Redakteur im München-Ressort. Er hat sein Leserbriefarchiv durchsucht. So bin ich auf Jutta Wölk gestoßen. Behilflich war mir auch ein Hauptakteur der rechten Szene, Michael Stürzenberger, einer der bundesweit aktivsten Islam-Feinde. Über ihn habe ich viel geschrieben, zu ihm habe ich, trotz völlig gegenläufiger Ansichten, seit Jahren Kontakt, und er war wiederum mein Türöffner zu Pegida-Anhängern in Dresden. Bei aller kritischen Berichterstattung über ihn hält er mir zugute, dass ich fair mit ihm umgehe.

Was macht für Sie persönlich guten Journalismus aus?

Ich will es mit ein paar Stichworten versuchen zu skizzieren, ohne Anspruch auf Vollständigkeit: Fairness, Hartnäckigkeit, Genauigkeit, Ehrlichkeit (u.a. bei eigenen Fehlern), das Erkennen der Nuancen zwischen schwarz und weiß.

Was braucht ein herausragender Artikel?

Es sind viele Elemente, die einen Text sehr gut machen können. Eines davon ist, wenn beim Leser ein Aha-Effekt entsteht, wenn er Überraschendes erfährt, das ihn zum Nachdenken bisheriger Positionen bringt. Und wenn das Thema des Textes eine gesellschaftliche Relevanz hat.

Was erwarten Sie von der Preisverleihung am 21. Juni in Berlin?

Ich freue mich darauf, Kollegen kennenzulernen, die ich bisher nicht kenne.