Interview

Wie entstand die Idee zu Ihrem Beitrag und wie haben Sie recherchiert?
Die Idee war eigentlich eine andere: Ich wollte Menschen porträtieren, die die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen und sie bis zu ihrer Einbürgerung begleiten. Beim „Casting“ im Bürgeramt Neukölln traf ich dann Angelika Gessner, eine Verwaltungsjuristin, eine deutsche Frau vom Amt. Ich nahm an ihrer Sprechstunde teil, sammelte Kontakte von Antragstellern, hörte den Gesprächen zu, und bald wurde mir klar, dass mich am meisten Frau Gessner interessiert, dass ich ihre Arbeit beschreiben und ihre Geschichte erzählen will.

Ich habe Angelika Gessner erneut besucht, diesmal vor der Sprechstunde, habe mit ihr über ihr Leben gesprochen, über ihre Arbeit, über ihre Sicht auf Einwanderung und Integration und nahm noch einmal an ihrer Sprechstunde teil. Das dritte Mal traf ich Frau Gessner bei der Einbürgerungsfeier im Rathaus Neukölln, wo an diesem Tag einigen ihrer Antragsteller die deutsche Staatsbürgerschaft verliehen wurde und war überrascht, diese strenge Frau noch einmal ganz anders zu erleben.

Vor welchen Herausforderungen standen Sie dabei?
Bei einer Recherche vom geplanten Weg abzuweichen und sich von der ursprünglichen Idee zu verabschieden, ist für mich immer eine Herausforderung. Oft zweifle ich bis zum letzten Moment und merke erst beim Schreiben, ob es die richtige Entscheidung war. Erfahrungsgemäß sind dann gerade diese Geschichten, auf die man stößt, ohne sie gesucht zu haben, die interessantesten. In dem konkreten Fall führte diese Kursänderung allerdings zu einem ziemlich großen Problem: Als Frau Gessner merkte, dass es in meiner Geschichte vor allem um sie gehen würde, zog sie alles zurück, was sie gesagt hatte, auch das Foto, wandte sich an den Stadtrat und sogar an die Bürgermeisterin, um eine Veröffentlichung zu verhindern.  Ich bekam Anrufe, Mails, versuchte zu verhandeln, zu überzeugen, wie wichtig diese Geschichte sei, gerade in Zeiten wie diesen. Am Ende war es die Bürgermeisterin Franziska Giffey persönlich, die mit ihrer Mitarbeiterin sprach und ihr die Angst nahm.  Nach „mehreren schlaflosen Nächten“ teilte mir Frau Gessner mit, ich dürfe ihren Namen verwenden, auch das Foto könne gedruckt werden.

Von wem wurden Sie dabei unterstützt?
Unterstützt wurde ich von meiner Redaktion, die mir den Rücken stärkte, und der Neuköllner Bürgermeisterin Franziska Giffey. Angelika Gessner möchte ich für die Einblicke in ihre Arbeit danken und dass sie mir am Ende doch vertraute.

Was macht für Sie persönlich guten Journalismus aus?
Guter Journalismus sind für mich Texte, die mich dazu anregen, meine eigenen Positionen zu überdenken.

Was braucht ein herausragender Artikel?
Eine Erkenntnis.

Was erwarten Sie von der Preisverleihung am 21. Juni in Berlin?
Gute Reden und eine schöne Feier.