Interview

In einem Satz: Worum geht es in Ihrem Artikel?
Anja Reich: Um ein Lenin-Denkmal, das im Wald versteckt wird, um eine Historikerin, die es wieder ausgraben lassen will, um Politiker, die das zu verhindern versuchen und um die gemeine Zauneidechse, die nicht nur Lenin auf dem Kopf herumtanzt, sondern einer ganzen Stadt.

Wie entstand die Idee zu Ihrem Beitrag und wie haben Sie recherchiert?
Mich hat dieser verscharrte Lenin schon immer interessiert. Ein 19 Meter großes Denkmal, das in Vergessenheit geraten war wie das System, für das es stand. Als der Kopf des Denkmals dann für eine Ausstellung wieder ausgegraben werden sollte, tauchten auf einmal lauter aberwitzige Hindernisse auf. Zum Beispiel behauptete der Senat, nicht zu wissen, wo der Lenin-Kopf liegt. Das konnte ich mir nun wirklich nicht vorstellen, und ich fragte mich, wie eine deutsche Verwaltung so einem Denkmalabriss eigentlich handhabt, wer die Menschen sind, die dahinter stecken und am Ende auch über den Umgang mit Geschichte entscheiden.

Für die Recherche habe ich versucht, mit allen zu sprechen, die mit dem Abriss und mit dem Ausgraben zu tun hatten: Denkmalschützer, Bürgermeister, Historiker, Bauleiter, Forstarbeiter, Naturschützer. Ich habe in alten Archiven recherchiert, saß in Verwaltungen und in Wohnzimmern, habe erlebt, wie die Ausstellung in der Zitadelle Spandau vorbereitet wurde, ohne dass klar war, ob Lenin überhaupt zu sehen sein wird. Ein Amerikaner hat mir das Lenin-Versteck gezeigt, eine Naturschützerin erklärte mir, warum so ein Denkmal im Wald der perfekte Lebensraum für die gemeine Zauneidechse ist, ein Reptilienforscher nahm mich mit auf Eidechsenfang, und als der Lenin-Kopf zu seinem Ausstellungsort rollte, war ich auch mit dabei.

Vor welchen Herausforderungen standen Sie dabei?
Ein- und dieselbe Geschichte zweimal zu erzählen, einmal als klassische Reportage für die gedruckte Zeitung und dann noch einmal - ganz anders - als Multi-Media-Projekt, das war die größte Herausforderung.

Wie wurden Sie dabei unterstützt?
Von meinen Kollegen aus der Print- und Online-Redaktion der Berliner Zeitung, die meinen Text mit Fotos, Grafiken und Filmen ergänzten und mir halfen, aus der Lenin-Recherche nicht nur eine dreiseitige Geschichte für das Wochenendmagazin zu machen, sondern auch ein einzigartiges Multi-Media-Projekt.

Was macht für Sie persönlich guten Journalismus aus?
Eine kleine Geschichte zu erzählen, die für etwas Großes steht.

Was braucht ein herausragender Artikel?
Eine neue Geschichte, klare einfache Sprache, einen Spannungsbogen und eine Erkenntnis.

Was erwarten Sie von der Preisverleihung am 7. September in Berlin?
Ein schönes Fest, weil es wichtig ist, in journalistisch schwierigen Zeiten guten Journalismus zu feiern.