Lachen kann man nicht aufschieben

Von Bascha Mika

Was wollen Journalisten? Etwas bewegen. Zumindest die Besten unter ihnen haben wohl zweifellos diese Agenda. Sehr genau hinschauen, das Schöne und Hässliche dieser Welt präzise beschreiben und die Verhältnisse hellsichtig erklären. Sie wollen Einsichten schaffen und so gesellschaftliche Handlungs- und Veränderungsmöglichkeiten eröffnen. Und wenn sie dann noch sprachlich glänzen und bei aller Ernsthaftigkeit das Unterhaltsame nicht vergessen, haben sie es in unserem Beruf zur Meisterschaft gebracht.

 

Barbara Sichtermann gehört zu den herausragenden Journalistinnen, von denen hier die Rede ist. Seit Jahrzehnten setzt sie sich mit den Themen Weiblichkeit, Sexualität und Leben mit Kindern auseinander. Sie hat der Medienkritik in Deutschland ein eigenes Gesicht gegeben und ist eine gesuchte Gesprächspartnerin, wenn es um Qualitätsfragen im Fernsehen geht. Und obwohl sie bereits sehr lange im Geschäft ist, haben ihre Themen und Thesen nichts an Aktualität verloren.

 

Erst wenn die Chancengleichheit von Männern und Frauen tatsächlich erreicht ist, kann die Verschiedenheit ihren Charme entfalten – schreibt Barbara Sichtermann. Und selbst wenn sie häufig von persönlichen Erfahrungen zu ihren Texten angeregt wird, geht es ihr nicht um eine subjektive Perspektive auf die Kampfzone der Geschlechter. Stattdessen hat sie stets das Allgemeingültige im Blick. Messerscharf in der Analyse, entschieden in der Argumentation und witzig in der Beschreibung. Bei ihr geht es darum, das Denken anzuregen und nicht einzuhegen, auch bei feministischen Themen.

 

Selbstverständlich stellt Barbara Sichtermann dabei ebenso die Männerfrage – spöttisch, spielerisch und voller Empathie. Ihr Anliegen – die Demokratisierung der Geschlechterverhältnisse – funktioniert nun mal nicht ohne Männer. Altbackene, männerfeindliche Polemiken waren deshalb noch nie ihr Ding.

 

Tageszeitungen, Wochenblätter, Hörfunk – Barbara Sichtermanns journalistisches Betätigungsfeld ist breit. Und auch als Buchautorin ist sie mit annähernd dreißig Titeln unglaublich produktiv. Dabei hat sie, wie viele ihrer Generation, das Schreiben als Beruf für sich entdeckt, ohne einen klassischen Ausbildungsweg gegangen zu sein. Doch ziemlich sicher haben die Schauspielausbildung ihre Beobachtungsgabe geschärft und das Studium der Sozial- und Volkswirtschaft ihre Analysefähigkeit gefördert.

 

Schaut man sich ihre Arbeiten an, wird offensichtlich, dass auch das hierzulande verquere Mutterbild ein Lebensthema ist. Mit den Erfahrungen, die sie mit ihrem neugeborenen Kind gemacht und zu Papier gebracht hat, schenkte sie vielen jungen Müttern nicht nur überraschende Erkenntnisse und praktische Hinweise, sondern auch ein gutes Stück mehr Gelassenheit. Barbara Sichtermann entlarvt immer wieder die verkappte deutsche Kinder- und Familienfeindlichkeit und macht gleichzeitig klar, wie sehr sich auch eine Linksintellektuelle für die Mutterschaft begeistern kann. Auf die Frage, wie sie ihren Job auf die Reihe bekommt, obwohl sie doch mehrere Kinder hat – eine Frage, die einem männlichen Journalisten selbstverständlich nie gestellt würde – antwortete sie entspannt: Ohne ihre Kinder könne sie gar nicht schreiben.

 

»Lachen kann man nicht aufschieben.« Das ist einer der schönsten Sätze von Barbara Sichtermann, den ich kürzlich gelesen habe. In einer ihrer Zeitungskolumnen über komische Frauen im TV. Das passt. Ein Lachen und eine erstaunliche Leichtigkeit begleiten an vielen Stellen die publizistische Arbeit dieser bewundernswerten Journalistin.

 

Ich wünsche Barbara Sichtermann, dass der Theodor-Wolff-Preis 2015, mit dem sie für ihr Lebenswerk geehrt wird, dieses Lachen vertieft und erhält.