Lebenswerk

Von Holger Gertz

Es ist keine Rolle, es ist ein Wagnis: Götz George spielt seinen Vater - den großen deutschen Schauspieler Heinrich George, der in so vieles verstrickt war.

Die Frau vom Empfang des Hotels in Köln hat einen Tisch vorbereitet, hinten links in einem Nebenzimmer. Sie klingt, als wolle sie ein Apartment vermieten. "Da haben Sie schön Licht, und ruhig ist es auch." Der Tisch ist schon eingedeckt, sie wird auch die Musik etwas runterdimmen, ihr Lächeln allerdings ist eher verzagt. Zeit für eine Regieanweisung, vorgebracht im Flüsterton: "Wenn Götz George kommt, werde ich kurz fragen, ob ein Getränk gewünscht ist, dann bin ich schon wieder weg." Bis dahin verteilt sie erst mal "Reserviert"-Schilder auf allen Tischen in der Nähe.

Vereinbart war 10.30 Uhr als Beginn des Gesprächs. Götz George kommt um

10.29 Uhr. Ein Händedruck. Ein Blick zum Tisch. Ach, sagt er, er möchte lieber umziehen von hinten links nach hinten rechts, da ist es dunkler und noch ruhiger. Er geht voraus, ein drahtiger, athletischer Mann, die Archive lügen wohl bei ihren Altersangaben. Götz George, 74, setzt sich und schaut einen erst mal schweigend an. Interessanter Kontrast zum starken Körper, diese Melancholie in seinen Augen. Man wüsste gern, was George in einem sieht; man fängt gleich an herumzudeuten. Jedenfalls: Er hat einen Schimanski-Schnauzbart, sie drehen gerade einen neuen "Tatort", in Duisburg und Rotterdam.

Wie angekündigt, schleicht die Frau vom Empfang herbei. "Etwas zu trinken?" Er möchte nichts, danke, zauberhaft. Die Frau geht aus dem Raum, rückwärts.

Wenn Götz George erscheint, trifft er auf Befangenheit in verschiedenen Aggregatzuständen. Die Schauspieler, die mit ihm arbeiteten, haben Höllenrespekt, Ehrfurcht. Die mit ihm als Schauspieler nichts anfangen können, weil sie lieber RTL 2 sehen, haben seinen Schimanski als Macho-Arschloch missverstanden, aber dafür in den bunten Blättern mal was über ihn gelesen. Götz George gilt als schwierig, und wer als schwierig gilt, erzeugt in Deutschland Argwohn, bei bestimmten Medien und in der Öffentlichkeit. Die Medien suchen nach Belegen für den schwierigen Charakter und berichten etwa, dass er bei der Vorpremiere seines neuen Films Kaugummi gekaut habe und wieder maulfaul gewesen sei. Das ist dann das, was hängenbleibt, von einem mutigen Projekt.

Der Sohn spielt seinen Vater.

Götz George ist Heinrich George. Die Beziehung der beiden ist so eng, dass sogar ihre Körper noch immer im Dialog stehen. Götz George sagt, im stillen Winkel dieses Kölner Hotels: "Mein Vater hat sich ja schon körperlich breitgemacht, ich bin eher schmaler geworden. Ich habe gleich zu Beginn meiner Karriere gemerkt, dass die Presse sagt: Was will denn der Kleene jetzt, der will doch nicht seinem Vater nacheifern und Schauspieler werden. Da gehört dann ja doppelte Kraft dazu."

"George" heißt der Film, er läuft bei Arte und dann am 24. Juli im Ersten, um Viertel vor zehn im Hochsommer, Götz George wird am Tag davor 75. Ein Meisterstück programmplanerischer Sensibilität, mitten in der Urlaubszeit so ein Zweistunden-Brocken. Götz George hat dafür gestritten, dass der Film später im Jahr kommt, im Oktober hat sein Vater Geburtstag, und die Leute sind aus den Ferien zurück. Vergeblich. Er hat dann resigniert, nicht nur in dieser Angelegenheit. Er mag sich nicht mehr verkämpfen. "Ich komm aus 'nem anderen Jahrhundert, aus 'ner anderen Zeit. Und ich versuche, die zu übertragen: Wo kann ich noch einen Anker setzen? Aber das geht nicht. Deswegen fliehe ich und bin angreifbar und durchlässig."

Der Film ist ein Dokudrama. Spielszenen, Archivbilder, Interviews, Filmausschnitte. Götz George und sein älterer Bruder Jan gehen dahin, wo der Vater gewesen ist, wo er mit ihnen gelebt hat, wo er - ohne sie - starb. Regisseur Joachim Lang hat zehn Jahre recherchiert und Archive durchkämmt, er hat Götz George jahrelang bequatscht und ihn schließlich überzeugt, die Rolle zu übernehmen. Heinrich George war vor dem Zweiten Weltkrieg der bedeutendste Schauspieler Deutschlands, Theatermann und Filmstar, verheiratet mit der Schauspielerin Berta Drews. Als die Nazis an die Macht kamen, war er nicht der größte Widerstandskämpfer. Er hat in Propagandafilmen mitgespielt, in Interviews und Reden den "Führer" gelobt. Er sagte zu, als Goebbels ihn bat, Intendant des Schiller-Theaters zu werden. Er hat sich arrangiert, er hat weggesehen, einerseits.

Andererseits beschäftigte er in diesem Theater dann jüdische Schauspieler, Kommunisten; andererseits setzte er bei den Behörden durch, dass sein Freund, der Schauspieler Bobby Müller, den Judenstern nicht mehr tragen musste. Er ließ ihm einen Stuhl ins Parkett stellen, noch vor die erste Reihe. Sie spielten den "Prinzen von Homburg". Und Müller - ein schneehaariger, geisterhafter Mann, man sieht ihn in einer alten Interviewsequenz - sagt: "Sie spielten für mich Theater, ich werde diesen Abend nie vergessen."

Nach dem Krieg wurde George vom sowjetischen Geheimdienst verhaftet und verurteilt. Im Herbst 1946, gut ein Jahr nach seiner Inhaftierung, starb er im Gefangenenlazarett. Blinddarmentzündung. Herzschwäche. Götz George hatte ihn ein paar Monate vorher einmal noch gesehen, am Tor des Speziallagers Hohenschönhausen. Da war er sieben.

Der Film spricht Heinrich George nicht frei. "Ich mag nicht diese Filme, die alles wissen", hat der Regisseur Joachim Lang gesagt, als man sich sein Dokudrama gemeinsam mit ihm angesehen hatte. Der Film ist ein Beitrag zur Debatte über Schuld und Unschuld, leise stellt er auch die Frage, wie berechtigt oder fahrlässig die Urteile sind, die die Öffentlichkeit sich macht. Eine schwebende Philosophie über Gerechtigkeit. Der Film versucht zu erzählen, wie der Alte war. Und gibt zugleich den Blick darauf frei, warum der Junge ist, wie er ist. Man kann nicht seinen Vater spielen, ohne etwas von sich selbst preiszugeben.

Götz George kritisiert nicht seinen Vater, er stellt ihn dar, als bullerigen Lebemenschen, Feierbiest sagt man heute. Einer, der den Bierkrug auch hinter der Bühne nicht aus der Hand nimmt. Die Ranschmeißereien von Goebbels lacht er immer so weg, in diesem Stimmklang, den man aus Schimanski kennt, wenn Kriminalrat Königsberg ihm wieder eine Dienstaufsichtsbeschwerde anhängen wollte.

Er nennt seinen Vater wahlweise "der Alte" oder "George"; manchmal "Vater", seltener "mein Vater". Er versichert ihm seine Liebe, sie ist tief und prägend. Aber es bleibt Liebe auf Distanz, die auch zulässt, dass Vermutungen zu Fakten werden.

Götz George sagt: "Im Nachhinein, auch unter dem Eindruck des Films, hab ich mir gedacht: Der muss doch - wenn Hitler oder Goebbels geredet haben - zusammengebrochen sein, weil das so schlecht gespielt und so grotesk ausgestellt war. Der muss doch als Schauspieler gedacht haben: ,Kinder, das ist ja fürchterlich!' " Er erzählt von Begegnungen zu Hause, nachdem der Vater längt tot war, die Mutter hatte immer viele Kolleginnen zum Kaffeeklatsch eingeladen, die Bergner, die Durieux, und er saß dabei und durfte zuhören. "Da gab es keine Schelte, die wussten ja, wie er denkt, wie er handelt. Wie er sich immer lustig gemacht hat über den großen ,Führer' und den kleenen Goebbels."

Der Schauspielersohn Götz George war noch ein Kind, als er seine erste Rolle spielte, 1950 am Hebbeltheater. Ein Regisseur, Freund der Familie, wollte ihn unbedingt als Hirtenjungen in "Mein Herz ist im Hochland". Am Schluss der Premierenvorstellung durfte er sich an der Seite von O.?E. Hasse verbeugen. Seine Mutter Berta Drews schreibt in ihren Memoiren, dass sie hinter der Bühne auf ihn wartete, und als er angerannt kam, nahm sie ihn in den Arm und hörte ihn fragen: "War ich so gut wie Heinrich?"

Vergleichen und verglichen werden. Messen und sich vermessen lassen. Die Anerkennung ihrer Väter ist für Söhne oft das einzige Gütesiegel von belastbarem Wert. Väter haben sich lange schwergetan mit dem Loben, das war über Generationen das Schicksal vieler Söhne. Im Fall George ist der Vater seit 67 Jahren tot. So sehr man ruft, als Sohn, hört man ein Echo? Und kommt eine Antwort, so ausdauernd man fragt und nachhakt?

Die Rezensenten haben den Jungen am Alten gemessen, er selbst hat sich an ihm gemessen und auch immer wieder darüber gesprochen - damals, als er noch argloser zu Interviews bereit war. Aus der Abendzeitung , späte Sechziger: "Er ist das große Vorbild für mich, obwohl ich genau weiß, dass seine Leistung unwiederholbar ist." Aus dem Stern , frühe Achtziger: "Vor Jahren habe ich über Filme meines Vaters geheult, weil er mich so wahnsinnig überzeugt hat." Die über ihn schrieben, haben es so gedeutet: Da hängt das Damoklesschwert. Ein Vater, der ihn erdrückt.

Aber Götz George ist oft nicht einverstanden mit dem, was über ihn geschrieben wird, er sträubt sich dagegen, interpretiert zu werden. Der Vater, ein Feind? "Ich habe versucht, ihn zu inhalieren und zu kapieren. Ich habe seine Filme gesehen, habe mir aus den mannigfaltigen Erzählungen - auch der Mutter - ein Bild zusammengebacken und dann angefangen, ihn zu idealisieren. Er ist mir ein Freund geworden."

Man muss an dieser Stelle kurz ein paar Ereignisse erwähnen, die Götz George verletzt haben, knapp 15 Jahre her, aber wirksam bis heute. Einmal saß er auf dem "Wetten dass?.?.?"-Sofa bei Thomas Gottschalk, sie wollten über den Film "Solo für Klarinette" sprechen, aber Gottschalk hatte den Film nicht gesehen und redete irgendwas eher Blechernes.

George wollte über den Film sprechen. Es war ihm ernst, auch in Europas größter Unterhaltungsshow. Sie stritten sich, am Ende saß George auf dem Sofa wie ein Spaßverderber, er war der einzige Gast, der bei "Wetten dass?.?.?" je ausgepfiffen wurde. Seitdem gilt er als schwierig. Später wurden die Umstände der Trennung von seiner damaligen Lebensgefährtin in den bunten Blättern aufgeregt debattiert, viel Geraune, Halbwahrheiten, viel Schmutz. Zurück blieb ein verwundeter Mensch. George war zweimal in etwas geraten, das man heute Shitstorm nennen würde. Er zieht sich seitdem, wenn es geht, zurück ins Haus nach Sardinien, auch vor dem "George"-Film sitzt er nicht in den Talkshows. Die Leute da draußen kriegen nur George, den Schauspieler. Der Mensch George verweigert sich den Ritualen und Reflexen der Szene, er will sich den bösen Affen im Showbusiness nicht ausliefern.

Ausgeliefertsein, dieses Ohnmachtsgefühl, kann einen auf verschiedenen Ebenen anfallen. Mag sein, dass der Schmerz des Sohnes verstärkt wird durch den nachgefühlten Schmerz des Vaters. Heinrich George stand ziemlich alleine am Ende, er hatte keine Fürsprecher, oder sie wurden nicht gehört, auch nach dem Krieg nicht. "Wir lieben unsere Schauspieler nicht in Deutschland, das habe ich später sogar an mir gemerkt", sagt Götz George. "Je besser man ist, desto mehr Neider hat man. Und die Denunziation ist sowieso das Schlimmste. Ich bin ja weggegangen nach Sardinien, weil ich denunziert wurde. Und die Presse nimmt es dankbar auf, wenn Krethi und Plethi über einen prominenten Menschen sagen: ‚Ich hab was über XY zu erzählen.'"

Im Hotel sind inzwischen einige der Tische nebenan besetzt, obwohl die "Reserviert"-Schilder da stehen, das Publikum ist spärlich, aber umso aufmerksamer. Die Kölner sind ja in mancher Hinsicht hemmungslos. Sie schauen zu ihm rüber.

Er schaut auf seinen Vater: "Du merkst einfach, wenn eine Figur wie der George in einen Raum reinkommt, und die Strahlkraft ist so gewaltig, dass alle Leute in diesem Raum auf einmal still werden."

Was passiert, wenn Sie in einen Raum kommen?

"Gar nix, dann gucken sie weg. Die denken: Schimanski, oh Gott. Aber ich komme sowieso nicht so viel in Räume rein, ich geh lieber außen rum." Er hat, als er das sagt, diese Lachfalten um die Augen, bei drahtigen Menschen wie ihm spricht das Gesicht immer mit.

Der Vater war rund, er war wie ein schwerer Stempel für die Propagandafilme. Er segnete, durch seine Teilhabe, die Lügen dieser Filme ab. Er ließ zu, dass seine Autorität sich auf die Autorität der Filme übertrug. Wer in einem Propagandafilm mitspielt, klärt nicht auf. Er tut das Gegenteil: er verklärt.

Götz George spricht die Versäumnisse und das moralische Versagen seines Vaters kaum an, im Film so wenig wie jetzt im Gespräch. Aber er hat sich längst darangemacht, vieles abzuarbeiten. Wenn die Verhältnisse sich ändern, muss der Sohn sich um den Vater kümmern. Wo der Vater weggespielt und weichgezeichnet hat, hat der Sohn geradegerückt und dargestellt, seine Filmografie ist auch ein Kontrollgang durch deutsche Geschichte, eine Vermessung von Abgründen. Götz George war Robert Mertens, ein junger Deserteur, der sich das Leben nahm. Er war der Auschwitz-Kommandant Rudolf Höß, ein akribischer Bürokrat, ein Exekutor. Er war Mengele. Viele seiner großen Filme handeln von Feigheit und dem Preis der Feigheit, von Schuld und der Last der Schuld. Politischer und aufklärerischer kann die Arbeit eines Schauspielers nicht sein. Er hat diese Männer so gespielt, dass sie einen noch begleiteten, nachdem man ihnen im Kino oder Fernsehen begegnet war. Ein guter Film macht etwas mit dem, der ihn sieht. Wenn man gleich alles vergisst, hatte der Film keine Kraft.

Im "Totmacher" von Romuald Karmakar ist George der Hilfsarbeiter Fritz Haarmann, ein Knabenschlächter,zugleich ein schwitzender Mann, unsicher, hilflos. Er will, dass sein Psychiater lieb zu ihm ist. Unvergessen, wie George seinen Kopf auf die Tischplatte legt und seiner Faust dabei zusieht, wie sie auf den Tisch einhämmert. Sein rasselndes, verzweifeltes Atmen, das noch unter den Abspann gelegt wurde. Bubi Scholz sieht in der Erinnerung aus wie Götz George, seitdem der ihn gespielt hat. Ein deutscher Boxerheld, bleierne Achtzigerjahre in West-Berlin, weiße Anzüge und Koteletten. Das Verhängnis zwischen Partykeller und Herrengedeck. Irgendwann hat Scholz im Rausch seine Frau erschossen, landet im Gefängnis. Es kommt zur Prügelei mit anderen Insassen. George - als Scholz - haut einen um, schaut auf ihn runter. Seine Stimme kennt man aus tausenden raus, brüchig, ernüchtert und irgendwie warm. Er spricht aus dem letzten Loch, als er zu dem anderen sagt: "Steh auf."

Er ist seit mehr als sechzig Jahren Schauspieler, einer der größten unserer Zeit. Theater und Film. Karl May und jetzt "George". Und Schtonk! Rossini. Der König und sein Narr. Der Sandmann. Und: Abwärts. Zivilcourage. Mein Vater. Tod einer Polizistin. Zwischendurch auch "Derrick" und "Der Alte", in einer Folge, die "Der schöne Alex" hieß, spielte er: den schönen Alex. Und, ja, Schimanski. Die prägende Figur der deutschen Fernsehgeschichte. Ein Gegengift zu Helmut Kohl, das die Politik nie hervorgebracht hat. Kurz reingeschaut in eine Episode aus den frühen Achtzigern: "Das Mädchen auf der Treppe", mit Anja Jaenicke. Wie sie zu ihrer toten Mutter rüberrennen will, und Schimanski hält sie fest und brummt, he he he, und dann bläst er den Oberkörper auf, sie schlägt mit den Fäusten drauf, bis sie müde ist. Schimanski murmelt: "Ist besser jetzt?" Dann hält er sie fest. So viel Härte, so viel Wärme in einem einzigen Mann.

Bambi, Bundesfilmband, Darstellerpreis der Biennale, Emmy. Grimmepreise, Verdienstorden, das meiste doppelt, dreifach. Den ersten Bundesfilmpreis bekam er mit 22, vor Kurzem ist ihm der Deutsche Schauspielerpreis verliehen worden.

Die Laudatio hielt der Regisseur Matti Geschonneck, der die Wirkungen väterlicher Wucht am eigenen Leib erfahren hat, als Sohn des Schauspielers Erwin Geschonneck, eine Legende wie Heinrich George. Immerhin hatte er das Glück, lange im Dialog mit seinem Vater leben zu können: Erwin Geschonneck war 101, als er starb.

Götz George im Publikum hatte sich, wie üblich, mit Kurzbart und getönter Brille gegen die Außenwelt abgeschirmt, aber da waren fast Tränen, als Geschonneck etwas sagte und zugleich ungesagt ließ: "Ein zerrissener Kraftmensch, für den der bärenstarke übermächtige Vater Segen und Fluch zugleich war. Aber letztlich wird das sein Geheimnis bleiben."

Heinrich George ist 1998 von den Russen rehabilitiert worden, er liegt in Berlin jetzt, Friedhof Zehlendorf, die Post hat seinen Kopf auf eine Briefmarke gedruckt. Etwas ist abgeschlossen. Etwas wirkt nach.

Götz George sagt: "Mein Vater kannte seinen Wert als Schauspieler, ich kenne meinen nicht."

Die Kritiker glauben, ihn zu kennen?.?.?.

"Wer will denn heutzutage den Wert einer schauspielerischen Leistung einschätzen? Es gibt so irrwitzig viele Schauspieler, und so wahnsinnig viele Halbbegabungen, und durch dieses Fernsehen wird alles aufgeweicht und ist am Ende eine amorphe Masse."

Sie haben sich selbst mittelmäßig genannt. Das klingt wie Koketterie.

"Alles ist mittelmäßig, das Zeitalter ist mittelmäßig, die Aufgaben, die gestellt werden, sind mittelmäßig. Dann ist dementsprechend die Gestaltung auch mittelmäßig. Das hat mit Koketterie nichts zu tun, das ist eher ein Verzweifeln an der heutigen Zeit."

Trotzdem ist da viel Lob für Ihre Arbeit.

"Die Zuwendung, die ich bekomme, die hat mit meinem Alter zu tun. Da werden sie immer sentimental, die Deutschen, spendenfreudig, weinen oft. Sind schnell bereit zu sagen: Ach, der ist jetzt auch schon so alt. Geben wir ihm noch ein paar Streicheleinheiten."

Sich von Kritik nicht berühren zu lassen, ist schwierig, Lob kann man leichter überhören. Götz George hat sich immun gemacht gegen Lob. Es erreicht ihn nicht. Könnte sein, dass am Ende jemand den Wettbewerb für beendet erklärt und sagt: Du bist besser als Heinrich. Wahrscheinlich wäre das für ihn das Schlimmste.

Ein Hotel in Köln, ein Mann an einem Tisch. Letzte Frage: Wo werden Sie den Film eigentlich sehen?

"Ich werde auf Sardinien sein, aber da habe ich keinen Fernsehapparat. Ich werde in den Himmel schauen und an meinen Vater denken und an meine geliebte Mutter. Ich krieg den Film und das Ganze drumherum nicht mit."

Seine Stimme: heiser, brüchig. Das Erschöpfteste an ihm ist seine Stimme.

Götz George sagt: "Ich bin ja weg."