Der verräumte Mann

Von Olaf Przybilla und Uwe Ritzer

Leidet Gustl Mollath unter einem Wahn? Wer weiß. Die Hypo-Vereinsbank jedenfalls weiß schon lange: Seine Vorwürfe an die Bank waren zutreffend. Wie lebt sie damit, dass er seit Jahren in der Psychiatrie sitzt?

Es sind immer nur ein paar von Hand dahingeschriebene Zeilen, offenkundig per Fax verschickt, immer an denselben Manager einer Schweizer Bank. „Bitte überweisen Sie von Konto „Klavier 2285“ DM 40 000 auf Konto „Selingstadt 2986.“ Datum, Unterschrift. Die in den Aufträgen genannten Schweizer Konten tragen Tarnnamen: „Pythagoras“, „Laim 1112“, „DVD 6006.“ 

„Unser halbes Haus war voll von solchem Zeug“, sagt Gustl Ferdinand Mollath, 56, Patient in der geschlossenen Abteilung des Bezirkskrankenhauses Bayreuth. 

In seinem Gesicht fallen die buschigen Augenbrauen auf und der akkurat gestutzte Schnurrbart. Wie mit dem Lineal gezogen. Mollath spricht unaufgeregt. Als bekomme er hier nichts mit von den Stürmen, die draußen toben. Die eine Justizministerin aus dem Amt fegen könnten. Die das Vertrauen vieler Menschen in einen fairen Rechtsstaat verwehen könnten. Weil sie Abgründe offenbaren. 

Seit fast sieben Jahren sitzt Gustl Mollath in geschlossenen psychiatrischen Einrichtungen in Bayern. Mollath habe gefährliche Wahnvorstellungen, attestierten psychiatrische Gutachter und urteilten Gerichte immer wieder. Wie krankhaft seine Wahnvorstellungen seien, dies zeige sich vor allem an Mollaths ständigen Schwarzgeldvorwürfen gegen die Hypo-Vereinsbank (HVB) und seine Ex-Frau, die dort als Vermögensberaterin arbeitete. Die Vorwürfe Mollaths seien „Teil eines paranoiden Gedankensystems“.  

Nun stellte sich heraus: Die Vorwürfe stimmen. 

Weil immer mehr Details ans Tageslicht kommen, die einen fragwürdigen Umgang von Staatsanwälten, Gutachtern und Richtern mit Mollath offenbaren, soll die Justiz den Fall neu aufrollen. „So schnell wie möglich“ müsse geklärt werden, „ob die Unterbringung des Herrn Mollath auch unter Berücksichtigung aller neuen Informationen gerechtfertigt ist“, verlangte Ministerpräsident Horst Seehofer am Wochenende. „Es wird ein langer, schwieriger Weg“, kommentiert Mollath. Knapp. Sachlich. 

Es gab Zeiten, in denen Gustl Mollath nicht so abgeklärt und besonnen war. Für wahnhafte Züge sprächen womöglich einige Briefe, die er schrieb: an Gerichte, Politiker, Behörden, Staatsanwälte, den Papst, Kofi Annan, seine Ex-Frau, die Hypo-Vereinsbank, Schweizer Banken. Im Lauf der Zeit wurde der Inhalt ausschweifender, der Ton wütender. Viele Menschen schreiben so, wenn sie das Gefühl haben, dass man sie abblitzen lässt. Zeitgleich wurde Mollath nach 25 Jahren von seiner Frau verlassen. Die Trennung: ein Rosenkrieg.  

So kam wohl auch der Schnellhefter zustande, den Mollath am 25. September 2003 dem Amtsgericht Nürnberg übergab. Ein wirres Bündel Papier, mit der Überschrift „Was mich prägte“ auf der ersten Seite. Es liest sich stellenweise bizarr, viele Seiten haben mit dem Kern dessen, was Mollath eigentlich sagen will, nichts zu tun: eine Zeitleiste von seiner Geburt über den Krebstod des Vaters, das Massaker von My Lai, die Ermordung Martin Luther Kings, die Mondlandung, den Putsch von Idi Amin, die Demonstration von 200 Sioux-Indianern bis zum Ende seiner Ehe. Er legte Flugblätter und Briefe bei, die er geschrieben hatte. Zum Beispiel an den längst verstorbenen Altbundespräsidenten „Theodor Heuss, von seinen Bürgern PAPA Heuss genannt“. So schreibt er das, und, ja, so ein Sammelsurium nervt einen Staatsanwalt auf den ersten Blick.  

Andererseits hat ein Staatsanwalt auch die Pflicht, jede Strafanzeige auf Substanz zu prüfen. Da waren ja auch all die kopierten Überweisungsaufträge für die als „Pythagoras“, „Klavier 2285“ oder „Laim 1112“ getarnten Schweizer Nummernkonten. Da waren die Vermögensaufstellungen von Schweizer Konten, Vollmachten für Geldgeschäfte, Fotos, da war der Schriftverkehr Mollaths mit der Ex-Frau und den eidgenössischen Banken.  

All das bewies noch nichts. Es hätte aber Interesse wecken können.  

Zumal Mollath neun Monate zuvor in einer ersten Strafanzeige weitaus präziser formuliert hatte. Dutzende mögliche Täter und Zeugen hatte er genannt, die illegalen Geldgeschäfte beschrieben, und erzählt, wie seine Frau freitags als Kurier in die Schweiz gefahren sei, das Schwarzgeld ihrer Kunden im Gepäck. Nach Lektüre der Anzeige entschied die Nürnberger Staatsanwaltschaft aber schnell: kein Anfangsverdacht, also keine Ermittlungen.  

Fast ein Jahrzehnt später, im Besucherraum der Bayreuther Psychiatrie, erzählt Gustl Mollath, wie er früher auf Friedensdemonstrationen mitmarschierte. Auf Youtube gibt es ein Filmchen, auf dem man sehen kann, was er für einer war, der Mollath des Jahres 2003: Ein Mann mit Grundschullehrer-Frisur steht am Mikrofon in einer gotischen Nürnberger Kirche. Ein Kommentargottesdienst. Jeder darf reden. Sein Thema: Zivilcourage.  

Mollath, der Friedensbewegte. Der immer montags an der Nürnberger Lorenzkirche für das Gute in der Welt steht. Dagegen seine Frau: lässige Finanzmanagerin, die später von einer Prozessbeobachterin als „schöne, schmale Frau mit beeindruckenden Augen“ beschrieben werden wird. Die sich allmählich von ihrem handwerklich hochbegabten, aber wirtschaftlich nicht sehr erfolgreichen Ferrari-Restaurateur wegbewegt. Die Berlin toll findet, nicht Nürnberg. 

Wie bitte passte dieses Paar je zusammen?  

„Oh“, wehrt Mollath ab, „da haben Sie jetzt ein Klischee im Kopf. Das ist normal, so ein Klischee. Das ist genauso, wie wenn Sie einen besuchen, der seit sechs Jahren in der Psychiatrie sitzt. Dann denken Sie: Der ist irre. Das müssen Sie ja denken. Und wenn ich von meiner Frau erzähle, dann haben Sie jetzt dieses Schickimicki-Klischee im Kopf. Aber das stimmt nicht.“ 

Seine Frau, sagt Mollath, sei einfach eine sehr fleißige Vermögensberaterin gewesen, die gut zu ihm gepasst habe. Wenn nur nicht die Gier zu groß gewesen wäre. Und ihre Nebenher-Geschäfte nicht zu dunkel.  

Sie lernen sich kennen, als er 22 Jahre alt ist und sie 18. Schnell ziehen sie zusammen. Gustl Mollath macht das zweitbeste Abitur am Gymnasium. Er studiert Maschinenbau, bricht ab, landet bei MAN als Controller. Dann macht er sich selbständig, als Oldtimer-Restaurator. Mollaths Passion sind Ferraris. Ein Freund erzählt, wie Mollath mit seiner Frau gemeinsam mit Freunden italienische Rennstrecken anmietete, um mit anderen Ferraristi das schnelle, rote Leben schön zu finden. Mollath ist mit seiner Frau im Ferrari in der Toskana, in Hockenheim, sie schlürft Sekt aus dem Pokal. In den Bergen von Maranello testet man die Wagen, in Sizilien fahren sie Rennen. Mollath am Steuer, sie als Kopilotin.   Seine ehemalige Ehefrau, sagt Mollath, reagiere ab und an zu eruptiv. Zig Mal habe er sie aufgefordert, ja, angefleht, mit den krummen Geschäften aufzuhören. Beim Abendbrot gab es mitunter tagelang immer dasselbe Thema: Schwarzgeld, Schwarzgeld, Schwarzgeld. Auch das hat Gustl Mollath zigfach geschrieben, an Behörden, Ermittler, Gerichte, selbst an die HVB. Er hat sie genervt mit seinem ständigen Gerede von Moral. Seine Frau ignorierte es, er wurde krank darüber. 

„Seit Jahren belasten mich diese Geschäfte, seelisch und dadurch auch körperlich“, schreibt er Ende 2002 an das HVB-Vorstandsmitglied Dieter Rampl, der 2003 Vorstandsvorsitzender wurde. 

Da liegt die Ehe der Mollaths bereits in Scherben. Von Nürnberg zieht sie jetzt tatsächlich nach Berlin, mit einem neuen Mann, einem Banker. Als Mollath sie in Briefen wieder mit sauren Vorhaltungen über Moral und Schwarzgeld anödet, fragt sie ihn demonstrativ: Wie er sich das denn vorstelle, so einen Urlaub für 10 000 Mark? Ob er, der Chef einer Konkurs-Werkstatt für italienische Altautos, diese 10 000 Mark für die Reise bezahlt habe? Oder sie, die Bankerin mit den guten Geschäften?  

Sie. Natürlich. Von was? 

Man würde das gerne wissen. 

Man würde auch gerne wissen, wie sie zur eidesstattlichen Versicherung eines langjährigen Freundes des Ehepaars steht. Der Mann behauptet, Mollaths ehemalige Frau habe zu ihm gesagt: „Wenn Gustl meine Bank und mich anzeigt, mache ich ihn fertig. Ich habe sehr gute Beziehungen. Der ist doch irre, den lasse ich auf seinen Geisteszustand überprüfen, dann hänge ich ihm was an, ich weiß auch, wie.“ Und: „Wenn Gustl seine Klappe hält, kann er 500 000 Euro von seinem Vermögen behalten, das ist mein letztes Wort.“ 

Mollaths ehemalige Frau schweigt. 

SZ-Anfragen lässt sie unbeantwortet. Wenn man sie anruft, sagt sie: Nichts werde sie zu dem Fall sagen. Und: Welche Veranlassung sie denn haben solle, etwas zu sagen? Ganz falsch ist das nicht. Sie gilt als Opfer, rechtskräftig. Auch ihr früherer Arbeitgeber hüllt sich am liebsten in Schweigen.  

Dabei würde man auch gerne erfahren, wie eine der größten deutschen Banken zum Vorwurf steht, sie habe zugesehen, wie ein Mensch jahrelang in der Psychiatrie verschwindet, der in wesentlichen Punkten eben keine Wahnvorstellungen hatte, sondern die Wahrheit sagte? Und warum die Hypo-Vereinsbank ihr Wissen nicht mit Richtern und Gutachtern teilte, die dann vielleicht zu anderen Ergebnissen gekommen wären, bei der Bewertung des angeblich geisteskranken Gustl Mollath?   Die HVB wusste es doch von Anfang an besser. 

Aufgeschreckt von drängenden Briefen Mollaths Ende 2002 an Vorstandsmitglied Rampl und andere HVB-Top-Manager, ließ die Bank die Schwarzgeldvorwürfe intern nämlich sofort untersuchen.

Am17. März 2003 legten die Prüfer ihren als „vertraulich“ gekennzeichneten „Sonder-Revisionsbericht Nr. 20546“ vor. Ihr Fazit: „Die Anschuldigungen des Herrn Mollath klingen in Teilbereichen zwar etwas diffus, unzweifelhaft besitzt er jedoch Insiderwissen. Alle nachprüfbaren Behauptungen haben sich als zutreffend herausgestellt.“ 

Die Prüfer hatten zig Belege und Hinweise auf Schwarzgeldgeschäfte, Geldwäsche, illegalen Aktienhandel, Beihilfe zur Steuerhinterziehung und andere Kapitaldelikte gefunden. Sie waren auf ein Netzwerk innerhalb der Nürnberger HVB gestoßen, das solche Geschäfte jahrelang betrieben hatte, auch zum Schaden der Bank selbst. Eine Handvoll Mitarbeiter sei verwickelt, unter ihnen auch Mollaths Ex-Frau. Die HVB trennte sich von ihnen. Ganz diskret. Dann ließ sie den brisanten Prüfungsbericht – der Mollath entlastet hätte – im Tresor verschwinden. 

Hatte die Bank nur Angst vor negativer Publicity? Oder sollten Kunden geschützt werden, wie jene im Prüfbericht wegen Geldwäsche erwähnte „bekannte Persönlichkeit?“ Die HVB findet, sie habe alles juristisch richtig gemacht: „Einen Zusammenhang zwischen den Ergebnissen unserer Revision und dem Strafprozess, bzw. der Unterbringung von Herrn Mollath, können wir nicht erkennen.“ 

Andere können das inzwischen offenbar schon. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann kritisierte am Wochenende die HVB. Deren Verhalten in der Sache Mollath, ihr damaliges Schweigen, sei „inakzeptabel“ und „ein starkes Stück“.  

Nürnberg hat eine halbe Million Einwohner, tickt aber wie eine Kleinstadt. Man muss sich nur die Mitgliederlisten der Rotarier-Klubs anschauen: führende Staatsanwälte und Richter in trauter Eintracht mit Bankern, hohen Tieren in Finanzbehörden und bekannten Nürnbergern. Verwaltet werden die Rotarier damals wie heute übrigens in der Nürnberger HVB-Filiale. 

Als sich der Angeklagte Gustl Mollath am 8. August 2006 wegen Körperverletzung vor dem Nürnberger Landgericht verantworten muss, kennt niemand den Revisionsbericht aus der Bank. Mollath soll seine Ex-Frau fünf Jahre zuvor geprügelt, getreten und gewürgt haben. Er soll sie anderthalb Stunden gegen ihren Willen in der Wohnung festgehalten haben. Und er soll Autoreifen zerstochen haben.  

Der Prozess dauert mehrere Stunden. Zuhörern zufolge brüllte der Richter Mollath ständig an. Mollath wird freigesprochen, aber nur wegen Schuldunfähigkeit. Er wird eingewiesen: der Wahn. 

Gustl Mollath schaut auf den Boden. Manchmal ist er morgens wie gerädert, sagt er. Dreimal in der Nacht kommen die Leute, die Mollath Wärter nennt, in sein Zimmer. Zur Kontrolle. Mollath hat einen leichten Schlaf, er wacht fast immer auf, wenn sie nach ihm sehen. Auf einer vorherigen Station, vor deren Tür die Stacheldrähte noch unüberwindbarer sind, hat er oft die einzige Abwechslung des Tages verpasst: die eine Stunde Hofgang, morgens zwischen acht und neun Uhr. Zu müde.  

Menschen, die Mollath lange kennen, sagen: Er hat sich verändert. Und die meisten sagen: nicht zum Guten.  

Wer soll da vor was geschützt werden mit diesen Kontrollen mitten in der Nacht? Klaus Leipziger, der Chefarzt der Bayreuther Klinik für Forensische Psychiatrie, erklärt es schriftlich so: „Bei Patienten der Klinik für Forensische Psychiatrie finden – wie in psychiatrischen Krankenhäusern geboten, auch aus Fürsorgeverpflichtung gegenüber Patienten – nächtliche Kontrollen durch die Mitarbeiter statt, bei denen allerdings besondere Rücksicht auf den Schlaf der Patienten genommen wird.“ 

Man sorgt sich also um Mollath.  

Es gibt irrwitzige Details in der Sache Mollath, aber es gibt auch Abgründe. Einer dieser Abgründe ist die Vorstellung, dass die ganze Causa ein Jahr früher in Gang gekommen wäre. Nehmen wir an, Bayerns Justizministerin Beate Merk hätte damals ein Wiederaufnahmeverfahren angekündigt. Die Nachrichtensendungen wären auch damals schon voll davon gewesen. Aber der Weggesperrte mit dem Schwarzgeldwahn hätte keinen dieser Berichte sehen können: Mollath durfte damals keinen Fernseher haben. Bis Februar 2012 musste er im Gemeinschaftsraum schauen. Mollath ist eingesperrt mit Vergewaltigern, Dealern, Mehrfachmördern. Die Mehrheit entscheidet über das Programm. Das „Heute Journal“ läuft da eher nicht.   In der Zeit, als Klaus Leipziger, der Chefarzt, noch Antworten auf eingereichte Fragen gab, erklärte er den verweigerten Fernseher so: Vorher sei das „aus Sicherheitsgründen“ nicht möglich gewesen. Die Nachfrage, was das genau für Gründe gewesen sind, die eine Klinikleitung dazu bewegen, einem inzwischen 56 Jahre alten Mann jahrelang zu verwehren, abends das Fernsehprogramm zu wählen, lässt Leipziger fünf Tage unbeantwortet. Dann teilt er mit, er könne aufgrund eines laufenden Verfahrens nicht mehr antworten. Denn die Staatsanwaltschaft ermittelt inzwischen wegen des Verdachtes der Freiheitsberaubung zuungunsten Gustl Mollaths.  

Klaus Leipziger ist der Mann, der Mollath für das Landgericht Nürnberg begutachtet hatte, ohne ihn untersucht zu haben. Mollath hatte eine Untersuchung abgelehnt. Leipziger ist der Mann, der zu dem Ergebnis kam, Mollath leide unter Wahnvorstellungen, rede dauernd von Schwarzgeldschiebereien. Und Leipziger ist der Mann, der der Klinik vorsteht, in der Mollath seit 2009 wieder untergebracht ist. Über Leipzigers Tisch gingen die Stellungnahmen des Bezirkskrankenhauses an die Strafvollstreckungskammer, in denen Mollath attestiert wurde: Was dessen Wahn angehe, so seien auch fünf Jahre nach der Einweisung keine „wesentlichen Veränderungen“ festzustellen.  

Noch im April 2011 schreibt das Bezirkskrankenhaus Bayreuth: Der Patient Mollath sei unverändert der Überzeugung, dass seine Unterbringung nicht gerechtfertigt sei; dass er ein Opfer des Bankensystems sei. Auch glaube er immer noch, man wolle ihn „als unliebsamen Mitwisser aus dem Weg räumen“, weil es ihm um die Aufdeckung der Schwarzgeldverschiebungen gegangen sei. Es gelinge einfach nicht, in der Sache mit Mollath in einen konstruktiven Dialog über therapeutische Zielsetzungen des Aufenthalts zu kommen, attestiert das Bezirkskrankenhaus Bayreuth. Fünf Jahre nach dem Urteil. Mehr als acht Jahre nachdem die Manager der Hypo-Vereinsbank wussten, dass mindestens Mollaths Vorwürfe an sie keinem Wahn geschuldet sind. Denn wie hieß es in der internen Sonderrevision der HVB von 2003? „Alle nachprüfbaren Behauptungen haben sich als zutreffend herausgestellt.“ 

Eine Bank schweigt. Ein Arzt attestiert eine Paranoia. Ein Arzt wacht jahrelang über den Patienten, schreibt von Uneinsichtigkeit oder lässt es andere schreiben und erkennt immer wieder: Wahn. Zu neuen Fragen schreibt Leipziger am Freitag der SZ, „verweise ich aufgrund des laufenden/schwebenden Verfahrens auf die Pressestelle der zuständigen Justizbehörde“.  

Im Besucherraum der Klinik ist es eine Stunde lang um Mollaths Passionen gegangen, um Sportwagen, um seine Ex- Frau, um Ästhetik: die aus seinem früheren Leben, dem Leben des Ferrarista, und die von heute in der Anstalt. Mit selbstgemalten Katzen an der Wand aus dem Kurs für therapeutisches Malen. Was, wenn Mollath rauskommt? Er hat nichts mehr, sein Haus im feinen Nürnberg-Erlenstegen ist weg. Nicht mal ein Bild seiner Mutter habe er.  

Auf die Minute nach einer Stunde kommt eine Frau und zeigt auf die Uhr. Ende der Besuchszeit. 

Gustl Mollath steht auf. Er streckt die Hand aus, schaut in Richtung seines Haftraumes, der hier Patientenzimmer heißt. Es wäre normal nach so einer Stunde, in der einer sein Leben erzählt hat, dass man sich beim Handschlag noch mal in die Augen blickt. Sich anlächelt, zunickt. 

Gustl Mollath geht einfach.  

Ein höflicher Mann, der einem anderen Mann eine Stunde lang ins Gesicht schaut, wirkt plötzlich wie ein Roboter. Und zwar dann, wenn die Wärterin kommt, die hier Krankenschwester heißt.  

Ist das jetzt der Wahn? Oder wird man so, nach fast sieben Jahren Psychohaft?

„Seit Jahren belasten mich diese Geschäfte“, so schreibt Mollath 2002 an den HVB-Vorstand Rampl.

Die internen Prüfer der HVB geben Mollath 2003 recht.

Der Prüfbericht wird weggesperrt

Die Bank schweigt.

Der Arzt schweigt.

Seit bald sieben Jahren sitzt Mollath in der Psychiatrie.

Am Ende des Gesprächs steht Gustl Mollath auf und geht. Mechanisch. Wie ein Roboter.