Stefan Hilscher und die Transformation

Im Interview:

Stefan Hilscher berichtet zu 45 Jahren Zeitungsbranche und seinen Erwartungen an die Zukunft.

 

Foto Hilscher
BDZV

Welche Innovation der Zeitungen im Laufe Ihres Zeitungslebens hat Sie am meisten überrascht und begeistert?

Mich überrascht immer wieder die Frage nach der einen Innovation. Ganz offen: Mein ganzes Berufsleben, immerhin 45 Jahre in der Medienbranche, ist eine ständige Transformation gewesen, nur hieß das früher nicht so. Zum Beispiel der wesentliche Wechsel vom Bleisatz zum ersten Redaktionssystem, den ich Anfang der 80-er Jahre bei der „Augsburger Allgemeinen“ mitgestalten durfte, oder 1988 in der Pressestelle der Deutschen Lufthansa, als wir durch C-Netz-Handys mobiler wurden, und ja, dann kam das iPhone, das sich auf unser aller Leben, auf unser aller Arbeit sicherlich am meisten ausgewirkt hat.

Medien und Werbung befinden sich im Umbruch, es wird auch gerne von Transformationsprozess gesprochen. Welche Chancen sehen Sie in diesem Zusammenhang für Zeitungswerbung?

Allein aufgrund der exzellenten Zielgruppen, die die regionalen wie nationalen Zeitungen erreichen, sehe ich sehr große Chancen. Vorausgesetzt, die Branche hört endlich auf, die eigenen Stärken immer wieder klein zu reden. Klar müssen wir um Kunden, vor allem neue, kämpfen. Aber wer muss das nicht? In dem Zusammenhang war und ist es richtig, dass sich neue Vermarktungsverbünde wie Score, die REPUPLIC und iq digital gebildet haben. Gemeinsam stark, das gilt auch hier.

Sie waren jahrzehntelang eng am Vermarktungsbereich für Zeitungen tätig: Welche Perspektiven sehen Sie für die Zeitungsanzeige – sei es in Print- oder digitaler Form - im crossmedialen Zusammenspiel?

Wer bis heute das crossmediale Zusammenspiel in der Werbung noch nicht beherrscht, hat bald eine wirkliche Herausforderung, weil er offenbar seine Kunden nicht überzeugen kann. Gerade in unsicheren Zeiten wie diesen werden doch die Zeitungen, insbesondere die nationalen, heftig nachgefragt, und dabei ist es völlig egal, ob digital besser performt als Print. Hauptsache, die Zeitungen schaffen mit den Kunden überzeugende Werbeumfelder und -formate.

Stefan Hilscher

Erfolgreich wird sein, wer neue Netzwerke für seine Kunden knüpft, neue Partnerschaften bildet.

Für welche Innovation im Medienbereich sehen Sie in naher Zukunft eine besondere Chance?

Erfolgreich wird sein, wer neue Netzwerke für seine Kunden knüpft, neue Partnerschaften bildet. Ein herausragendes Beispiel ist sicherlich das neue SZ-Institut, das ich selbst noch mit anschieben durfte, und das sich als Denkfabrik versteht, die neue Ideen nicht nur denken, sondern in Projekten umsetzen will. Mit Partnern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft. Da stechen auch im Regionalen großartige Projekte hervor, wie zum Beispiel „Rocketeer“ in Augsburg. Sicherlich gibt es noch nicht überall genügend dieser Innovationen. Aber dafür gibt es ja gute Berater.

Wo sehen Sie die Zeitungen – Print wie Digital – in zehn Jahren?

Wussten wir 2000, wo wir 2010 stehen werden? Oder 2017, was 2022 sein wird? Das wären nur fünf Jahre gewesen. Also ich arbeite lieber heute – nun als Berater – daran, wie ein Unternehmen zum Beispiel seine Nachfolge so regelt, dass es auch in fünf Jahren erfolgreich sein wird. Oder wie sich ein Unternehmen mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gemeinsam so aufstellt, dass es sich nicht jedes Jahr aufs Neue nur durch Sparprogramme über Wasser halten kann. Was aber bedeuten kann, dass zunächst Einschnitte vorgenommen werden müssen. Einschnitte, das sind oft Dinge, die „schon immer so gemacht wurden“, und von denen man sich endlich einmal trennen sollte. Es ist unfassbar, wie in der Medienbranche an Angeboten festgehalten wird, die die Werbe-Kunden, vor allem aber auch die Leserinnen und Leser, gar nicht mehr interessieren. Die aber im Unternehmen Kräfte binden.

Mit Blick auf das Thema Innovationen und digitale Transformation im Medienbereich, welche Publikation darf bei keinem Verantwortlichen im Management fehlen?

Na, da empfehle ich doch eine ganz aktuelle Publikation: „Change-Strategien für die Medienbranche“. Die Herausgeber Thomas Breyer-Mayländer und Christian Horneber stellen darinStrategien, Konzepte und die Umsetzung vor. Johannes Hauner, Mitglied der Geschäftsleitung der Süddeutschen Zeitung, und ich durften mit einem gemeinsamen Beitrag dabei sein. Da würden Sie das Buch doch auch empfehlen, oder?

 

Zur Person: Stefan Hilscher ist langjähriger Geschäftsführer Süddeutscher Verlag und Mit-Gesellschafter J. Hoffmann GmbH, Verlag Die Harke. Seit 2023 ist er BDZV-Vorstandsvorsitzender.