Als wir Zeitungsverleger im Jahr 2010 diese Auszeichnung stifteten, hatten wir daher mehrere Ziele vor Augen. Zum einen wollten wir Personen oder Institutionen würdigen, die sich in unserem Land für andere Menschen oder für eine große Idee engagieren und damit Vorbild sind. Sei es in der Wirtschaft, in Sport, Politik, Kunst, Medien oder im sozialen Bereich.
Zum anderen wollten wir – wie die Mehrzahl unserer Zeitungen in Deutschland – dabei die Stärken unserer so unterschiedlichen Regionen widerspiegeln und einen Preisträger auszeichnen, der zwar lokal verwurzelt sein mag, der zugleich aber bundesweit ein Beispiel geben kann.
Die Wahl liegt in den Händen der größten und kompetentesten Jury, die wir aufbieten können –nämlich in die Hände der Chefredakteure an unseren Zeitungen. Wer wüsste wohl besser Bescheid über die Sehnsüchte und Wünsche der Menschen als gerade die Zeitungen und ihre Macher, die Tag für Tag das Zeitgeschehen reflektieren, kommentieren und die im ständigen Dialog mit ihren Lesern stehen? Und das ja längst nicht mehr nur in gedruckter Form, sondern auch online und mobil, 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche.
Tatsächlich fielen die Antworten auch wieder ganz unterschiedlich aus, als wir im September zum zweiten Mal die Chefredakteure um Vorschläge für eine mögliche Preisträgerin oder einen Preisträger baten. Es waren namhafte Persönlichkeiten darunter. Es waren aber eben auch zahlreiche gar nicht prominente oder allenfalls lokal bekannte Persönlichkeiten dabei:
- Aus Lübeck war das zum Beispiel eine Studentin, die gemeinsam mit ihren Kommilitonen den Erhalt der Universität Lübeck gegen die sparsamen Landespolitiker erstritt,
- aus Berlin war das eine Pflegemutter, die neben zwei eigenen auch noch 34 Pflegekinder betreut und großgezogen hat,
- oder in Geislingen war es ein Ehepaar, das Kinder und junge Leute von der Straße holt und zum Tanzen bringt.
Hilfsaktionen und Hilfskonvois machen sich von Hamburg, von Koblenz, von Coesfeld oder von Dorsten in alle Welt auf, um Menschen in Not zu unterstützen. In diese Reihe gehört auch der besonders in Berlin wohlbekannte Gründer der „Arche“, Bernd Siggelkow. Die Arche bietet bedürftigen Kindern und ihren Familien seit Jahren aus Spenden einen kostenlosen Mittagstisch und zugleich, mindestens ebenso wichtig, Zuhören und Zuspruch. Das Konzept ist bundesweit übertragbar. Das zeigt sich schon daran, dass diese Nominierung nicht etwa von einer Berliner Zeitung kam, sondern von einem Titel aus Essen.
All diese Männer und Frauen sind Vorbild. Sie gehören zu der erfreulich großen Gruppe von Menschen, die sich für die Gemeinschaft einsetzen und über die unsere Zeitungen deshalb berichten.
Nicht nur die Parteien, auch die Medien und ganz besonders wir Zeitungen, bei denen die Politikberichterstattung sozusagen zur DNA gehört, beklagen oder bedauern gelegentlich die Politikverdrossenheit der Bürger. Dabei unterschätzen wir vielleicht allzu leicht die immer schnellere Taktung der Neuigkeiten und die große Komplexität der verhandelten Themen. Womöglich ist es schlicht eine Überdosis an Politik, wenn die Nachrichten, die uns an einem Tag erreichen, vom Aufstand in Syrien über die milliardenschwere Rettung des Euro samt Griechenlands bis zum Kampf um die Nominierung des nächsten Bundespräsidenten führen.
Umso bemerkenswerter erscheint aus solchem Blickwinkel die breite bürgerliche Partizipation auf der lokalen und kommunalen Ebene, der Wille nach aktiver Teilnahme, wie sie in ganz Deutschland stattfindet. In einer zunehmend komplexer werdenden Welt sollten wir dies Streben nach Teilhabe aus meinem Verständnis heraus unbedingt begrüßen und fördern. Unsere Zeitungen können hier eine gar nicht hoch genug zu schätzende Rolle der Vermittlung, Erläuterung und Einordnung spielen – zugleich müssen sie natürlich immer auch die Wächter sein, die allen handelnden Personen genau auf die Finger schauen.
Kritisch begleiten, vermitteln, erläutern, einordnen, das ist die Aufgabe der Zeitung – und Fehler korrigieren, auch die eigenen. Wohl jede Redaktion, die in den vergangenen Jahren über die seinerzeit so genannten und mit Recht als Unwort des Jahres gebrandmarkten Döner-Morde berichtet hat, wird sich nun beklommen gefragt haben: Waren wir aufmerksam genug nach bestem Wissen und Gewissen? Hätten wir tiefer recherchieren, vorsichtiger berichten, bedachtsamer werten müssen? Gab es Hinweise auf kaltblütig mordende Neonazis? Sind wir zu gleichgültig oder zu selbstgefällig gewesen?
Wir brauchen aufmerksame und, ja, auch mutige Menschen, die mit ihrem Talent und ihren Ideen gegen dumpfen Fremdenhass und rechte Gewalt arbeiten. Wir brauchen Zeitungen, die über diese Menschen berichten und ihre Arbeit positiv verstärken.
So hat auch diesmal die Jury der Chefredakteure, der ich hiermit meinen herzlichen Dank für die geleistete Arbeit ausspreche, eine kluge Wahl getroffen, als sie auf Vorschlag der „Ostsee-Zeitung“ in Rostock das Ehepaar Lohmeyer zu unseren Bürgern des Jahres erklärte.
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