Geht es auch etwas positiver?

Von Tim Ende

Das Projekt #UseTheNews untersucht die Nachrichtennutzung von jungen Menschen und hat große Lücken bei ihrer Medienkompetenz festgestellt – auch weil sie Nachrichten oft als zu negativ empfinden. Die junge Zielgruppe dennoch von sich zu überzeugen, ist für Medienhäuser eine herausfordernde Aufgabe.

Mann mit Smartphone
BDZV
Leonie Wunderlich, Co-Autorin der #UseTheNews-Studie und Junior Researcher am Leibniz-Institut für Medienforschung / Hans-Bredow-Institut (HBI)

TikTok eignet sich weniger dazu, nachrichtliche Inhalte zu vermitteln, als eine Marke präsent zu machen und aufzubauen.

269 Minuten sind die 14- bis 29-Jährigen laut der ARD/ZDF-Online-Studie im Jahr 2021 täglich im Internet gewesen. Ihre Zeit verbringen sie dort hauptsächlich mit Chatten,  Netflix  schauen  und  Musik  hören bei Spotify, YouTube & Co. Artikel digital im Internet zu lesen, spielt mit 27 Minuten am Tag eine vergleichsweise kleine Rolle. Die #UseTheNews-Studie aus dem Jahr 2021 bestätigt das, denn „die Hälfte der Jugendlichen hält es nicht für wichtig, sich über Neuigkeiten und aktuelle Ereignisse zu informieren“. Das mag auch dran liegen, dass sie „oftmals nicht die Bedeutung journalistischer Nachrichten für ihren eigenen Alltag“ erkennen, wie es weiter heißt.

Meinolf Ellers will das ändern. Er treibt die Entwicklung von neuen Informations- und Bildungsangeboten für junge Menschen als Geschäftsführer der UseTheNews gGmbH und Chief Digital Officer bei der Deutschen Presse-Agentur (dpa) voran. Ellers ist derzeit viel unterwegs, um gemeinsam mit Partnern aus anderen europäischen Ländern Lösungen für ein drängendes Problem zu finden: die wachsende Desinformation in unserer Gesellschaft. Denn er ist überzeugt: „Geringere Nachrichtenkompetenz und Nachrichtennutzung führen dazu, dass Phänomene wie Fake News und Desinformation wachsen.“ Durch den Ukraine-Krieg und die Corona-Pandemie sei dieses Phänomen noch stärker geworden – und bekommt nun mehr Aufmerksamkeit, was auch Meinolf Ellers Reisetätigkeit erklärt. Die Politik hätte nun verstanden, dass eine geringe Nachrichtenkompetenz bei jungen Menschen und steigende Desinformation direkt zusammenhängen würden. „Deswegen hat das Thema jetzt höchste Priorität. Auch auf EU-Ebene“, sagt Ellers. Besonders unter jungen Erwachsenen hätten die jüngsten Krisen gezeigt: „Es ist den Jugendlichen und jungen Erwachsenen einfach zu viel – es sind zu viele Nachrichten für sie.“ Das führe zu einer Nachrichtenmüdigkeit und in der Folge zu einer Vermeidung von Nachrichten.

BDZV-Magazin "relevant"

Dieser Beitrag ist erschienen im BDZV-Magazin "relevant" Ausgabe 02/2022 (S. 54-57)

Download PDF
BDZV-Magazin "relevant" 02/2022
BDZV

Kein Interesse an Nachrichten

Doch das Phänomen ist nicht unter allen Jugendlichen und jungen Erwachsenen gleich verbreitet. Die #UseTheNews-Studie hat gezeigt, dass es gravierende Unterschiede gibt. Die Autoren der Studie haben herausgefunden, dass die Interessen, Wünsche und Bedürfnisse, was nachrichtliche Inhalte angeht, sehr verschiedenen sind. Das führt etwa dazu, dass manche Nutzerinnen und Nutzer „fast ausschließlich journalistische Quellen nutzen, um ihr großes Informationsinteresse zu befriedigen“, wie es in der Studie heißt.

Doch es gibt auch das genaue Gegenteil: Bei den 14- bis 17-Jährigen mit einer formal niedrigen Bildung gelten 52 % als „gering informationsorientiert“, haben also ein geringes Nachrichteninteresse, nutzen keine journalistischen Quellen und sind nicht gut informiert. Das findet Meinolf Ellers, der UseTheNews-Geschäftsführer, besorgniserregend: „Ein kompletter Ausstieg aus Nachrichten ist nicht gut“, merkt er an. „Damit verabschiedet man sich davon, ein informierter, handlungsfähiger Staatsbürger zu sein.“

Und das kann für Medienhäuser gefährlich werden, schließlich sind die jungen Menschen von heute auch die Nutzerinnen und Nutzer von morgen. Doch viele Verlage denken noch nicht innovativ genug, wenn es um die junge Zielgruppe geht, meint Ellers. „Es reicht nicht, im Volontariat mal ein TikTok-Projekt zu machen oder Nachrichtenvideos auf YouTube hochzuladen.“ Was also tun? Leonie Wunderlich vom Leibniz-Institut für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut (HBI) forscht zur Medien- und Nachrichtennutzung in digitalen Medienumgebungen und hat die #UseThe- News-Studie miterstellt. Sie sagt: „Junge Menschen sind offen für neue Technologien.“ Darin liege für Medienhäuser eine große Chance. Beispiel TikTok. „Es gibt bereits viele Nachrichtenanbieter und Verlage, die auf der Plattform aktiv sind“, so Wunderlich. Eine Herausforderung für die Medienhäuser sei es, so die Forscherin, die Logiken der verschiedenen Plattformen anzuerkennen und für sich einzusetzen. „TikTok eignet sich weniger dazu, nachrichtliche Inhalte zu vermitteln, als eine Marke präsent zu machen und aufzubauen.“ Ist die Marke erstmal bekannt, wecke sie Vertrauen bei den jungen Nutzerinnen und Nutzern, wenn etwa Ergebnisse in der Google-Suche auftauchen, so Wunderlich. Klicks und mögliche Abo-Abschlüsse können die Folge sein.

Im September 2021 sind die Ergebnisse der #UseTheNews-Studie im "Playbook" in Print und Online erschien.

Mehr erfahren

Nur Social Media reicht nicht

Das Beispiel TikTok zeige, dass Jugendliche die Sozialen Medien nicht explizit nutzen, um dort Nachrichten zu konsumieren. „Es reicht also nicht, einfach einen vorhandenen Inhalt auf alle möglichen Plattformen auszuspielen“, gibt Wunderlich zu bedenken. Hier seien differenzierte Ansätze nötig, um junge Menschen zu erreichen. Da es jedoch, wie gezeigt, nicht die eine Zielgruppe gibt, brauche es den Mut, verschiedene Dinge auszuprobieren. „Das ist eine Herausforderung für den Journalismus, bietet aber auch gleichzeitig die Chance, ganz unterschiedliche Formate zu entwickeln, aus denen man lernen kann.“

Das #UseTheNews-Projekt will, wie Meinolf Ellers erklärt, den Medienhäusern helfen, diese Herausforderungen zu meistern, um der Nachrichtenmüdigkeit bei den jungen Menschen Einhalt zu gebieten. „Wir müssen die Zielgruppe miteinbeziehen, damit wir ihnen wirklich gute Angebote machen können“, sagt er. „Ein Zusammenwirken auf Augenhöhe mit großem Respekt für die Zielgruppe ist unser Ansatz.“ Dafür gibt es etwa das News Literacy Lab. Dort arbeiten mehr als 30 Redakteurinnen und Redakteure, Produktmanager und Innovateure aus verschiedenen Medienhäusern mit Jugendlichen zusammen, um Ideen für zeitgemäße Nachrichtenangebote  zu entwickeln. „Denn nur wenn sich die Medienhäuser auf das Terrain der jungen Menschen begeben, entstehen Dinge, an denen wir alle Spaß haben“, bilanziert Ellers.