Deutscher Werberat – Halbjahresbilanz 2019: Große Akzeptanz für Entscheidungen der Selbstkontrollorganisation

„Ein hohes Maß an Verantwortungsgefühl und eine weiterhin außerordentlich große Kooperationsbereitschaft“ hat der Deutsche Werberat den werbenden Unternehmen in Deutschland in seiner am 15. August veröffentlichten Halbjahresbilanz bescheinigt. Von insgesamt 357 geprüften Werbemaßnahmen seien 171 nicht zu beanstanden gewesen, in 119 Fällen leitete das Gremium an zuständige Stellen weiter oder forderte die Beschwerdeführer wegen fehlender Zuständigkeit des Werberats auf, ihre Rechte selber wahrzunehmen. Bei den verbleibenden 67 Fällen hätten sich 93 Prozent der Unternehmen freiwillig bereit erklärt, die vom Werberat kritisierte Werbung einzustellen oder zu ändern (56 Stopps, 6 Änderungen). Nur fünf Öffentliche Rügen mussten ausgesprochen werden, weil die Unternehmen sich zunächst nicht einsichtig zeigten.  

Insgesamt erreichten den Werberat 1.524 Beschwerden in den ersten sechs Monaten 2019. Der deutliche Anstieg gegenüber dem Vorjahr (642) liegt nach den Angaben der Selbstkontrollorganisation an drei Werbemaßnahmen, auf die mehr als die Hälfte aller Beschwerden entfielen und die das Gremium im Lauf des Verfahrens auch beanstandet hatte. Allein zu dem öffentlich gerügten Spot einer Einzelhandelskette gingen über 750 Proteste ein. 119 Fälle fielen nicht in die Zuständigkeit des Gremiums, weil sich die Beschwerden beispielsweise gegen mögliche Rechtsverstöße richteten oder weil es sich nicht um Wirtschaftswerbung handelte.

Wie in den vergangenen Jahren bildete der Beschwerdegrund „Geschlechterdiskriminierende Werbung“ (sexistische Werbung, Frauen- und/oder Männerdiskriminierung) den Schwerpunkt der Proteste aus der Bevölkerung mit insgesamt 120 Fällen (2018: 137). Die Beanstandungsquote lag bei knapp einem Drittel. In fast allen dieser Fälle, in denen die Werbung gegen die Verhaltensregeln gegen Herabwürdigung und Diskriminierung von Personen verstieß, konnte die Selbstkontrolleinrichtung die Unternehmen zum Umdenken bewegen. Auch die Gleichstellungsministerkonferenz der Länder (GFMK) hatte dem Deutschen Werberat im Juni 2019 attestiert „in Deutschland die wichtigste Instanz zur Sichtbarmachung sexistischer Werbung“ zu sein. Begrüßt wurde in diesem Zusammenhang auch der 2018 veröffentlichte Leitfaden zum Werbekodex, der die Kriterien des Werberats anhand fiktiver Beispiele nochmals anschaulich erläutert.

Innerhalb der Rubrik „Geschlechterdiskriminierende Werbung“ entfielen 94 Fälle auf die Kategorie sexistische/herabwürdigende Werbung, in vier Fällen wurde Männerdiskriminierung geltend gemacht und in 22 Fällen Frauendiskriminierung. Zu dieser Fallgruppe zählen auch stereotype Darstellungen, die der Werberat dann als diskriminierend einstuft, wenn zugleich impliziert wird, ein Geschlecht sei weniger wert oder zu bestimmten Tätigkeiten nicht in der Lage. So änderte nach Intervention des Werberats ein Hersteller von Schulranzen sein Werbemotiv mit „Wissbegierigen Jungen“ auf der einen und „Junge Damen“, denen es nach dem Werbetext nur um Äußerlichkeiten ging, auf der anderen Seite. In der geänderten Werbung werden Jungen und Mädchen gleichermaßen angesprochen.

Zugenommen haben Beschwerden in der Rubrik „Ethik und Moral“, in der ein breites Spektrum an Beschwerdeinhalten zusammengefasst ist (39 Fälle gegenüber 31 in 2018), sowie Fälle mit dem Vorwurf der „Diskriminierung von Personengruppen“ (21 gegenüber 15 im Vorjahreszeitraum). Ähnlich wie bei dem Beschwerdegrund „Geschlechterdiskriminierende Werbung“ spiegeln sich auch hier die teils sehr unterschiedlichen Ansichten in der Bevölkerung zu gesellschaftspolitischen Diskussionen wider: So wurde die Werbung einer Partnervermittlung kritisiert, weil sie Menschen ohne sichtbaren Migrationshintergrund zeigte. Aus Sicht der Beschwerdeführer sei dies diskriminierend, weil damit die Botschaft transportiert werde, nur Menschen ohne Migrationshintergrund würden den optischen Idealen einer Partnersuche entsprechen. Es gab aber auch Beschwerden gegen die Werbung eines Transportunternehmens, das in seiner Werbung Darsteller unterschiedlicher Hautfarbe einsetzte. Hier würde die deutsche Gesellschaft nicht richtig abgebildet, monierten die Kritiker. Der Deutsche Werberat wies in beiden Fällen die Beschwerden als unbegründet zurück.

Beschwerdefälle zu potenziell angsteinflößender oder in unpassender Art an Kinder und Jugendliche adressierter Werbung (zusammengefasst unter „Entwicklungsbeeinträchtigung Kinder und Jugendliche“) blieben konstant (11 Fälle). Andere Beschwerdegründe lagen im einstelligen Bereich.

Kritisierte Werbung nach Werbemitteln

Erneut angestiegen ist die Kritik aus der Bevölkerung an Inhalten von Internet-Werbung. In der ersten Hälfte 2019 entschied der Deutsche Werberat über 66 Fälle gegenüber 47 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum (+40 Prozent). Die Beschwerdefälle verteilen sich auf verschiedene Formen der Digitalwerbung wie eigene Internetseiten von Unternehmen, Firmenkanäle in Sozialen Netzwerken, Display- und Videowerbung in fremden Online-Diensten sowie Mobile-Werbung. Die Beanstandungsquote lag im Bereich der Online-Werbung mit 33 Prozent etwas über dem Durchschnitt über alle Werbemittel hinweg (28 Prozent). Positiv: Bis auf ein Unternehmen, das öffentlich gerügt werden musste, waren alle bereit, die vom Werberat beanstandete Werbung schnell offline zu nehmen. In der nach Werbemitteln aufgeschlüsselten Statistik folgten Beschwerdefälle über Plakatwerbung (40) sowie Fernseh-Spots und Anzeigen (je 33). Erneut rückläufig waren Beschwerden über Fahrzeugwerbung (13). Werbemittel wie Werbebriefe (12), Radio-Spots (6) oder Kinowerbung (2) sind nach wie vor nur vereinzelt von Kritik betroffen.