Urheberrecht: „Jetzt noch ändern heißt scheitern“

Die geplante Reform des EU-Urheberrechts führt nach Überzeugung des BDZV nicht zu einer Zensur im Internet. „Eine Zensur oder Einschränkung der Meinungsfreiheit wird es nicht geben. Wir wären sonst die ersten, die Alarm schlagen würden“, sagte BDZV-Vizepräsident Valdo Lehari jr., zugleich Verleger des „Reutlinger General-Anzeigers“ in einem Interview mit der Chefredaktion seiner Zeitung am 23. März. „Alles andere als eine Verabschiedung der Novelle wäre ein Schlag ins Gesicht der Kreativschaffenden in Europa, würde kleine und mittlere Presseverlage in ihrer Existenz langfristig bedrohen.“ Das vollständige Interview lesen Sie hier:

Valdo Lehari jr.
BDZV

Das Gespräch führten

Christoph Fischer und Davor Cvrlje

GEA: Was wollen Sie mit der Reform des Urheberrechts erreichen?

Valdo Lehari: Ziel ist es, die Rechte von Journalisten, Künstlern und Schriftstellern im digitalen Zeitalter zu schützen. Internationale Suchmaschinen wie Google verdienen mit der Vermarktung fremder Inhalte Milliarden. Es muss Schluss sein mit digitalem Diebstahl hochwertiger journalistischer Angebote. Es ist nur fair, in Zukunft die Kreativschaffenden finanziell zu beteiligen.  Das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein. Das geistige Eigentum der Menschen muss geschützt werden, ein herausragendes europäisches Kulturgut.

Was ändert sich durch die Reform für die Verbraucher und User?

Lehari: Das Ziel der EU-Kommission und des Parlaments ist, das gesamte Urheberrecht in digitalem Zeitalter zu modernisieren, das bestehende stammt von 2001. Der ausgehandelte Kompromiss soll gerade die Vielfalt des medialen Angebots sichern. Verbraucher und Internet-User sollen auch rechtlich mehr Schutz erfahren. Bisher wurden sie bei Verstößen  juristisch zur Rechenschaft gezogen, wenn urheberechtlich geschützte Inhalte ins Netz gestellt werden.

In den sozialen Medien äußern viele, vor allem junge Menschen, große Sorge wegen der geplanten Urheberrechtsrichtlinie der EU. Können Sie die Proteste verstehen?

Lehari: Wir nehmen die Proteste sehr ernst. Sie richten sich aber nur gegen die vorgesehene Regelung in Artikel 13. In diesem wird eine Haftung und Verantwortung begründet für die großen Plattformbetreiber wie Youtube. Ziel ist, dass urheberrechtlich geschützte Inhalte ohne Lizenz nicht hochgeladen werden. Wenn die großen Plattformen entsprechende Lizenzen vereinbaren, dann erledigt sich ein großer Teil der Sorgen.

Sind die Sorgen unberechtigt?

Lehari: Die Richtlinie wird nicht zu Zensur führen. Zensur bedeutet, dass der Staat Inhalte kontrolliert und unerwünschte Veröffentlichungen unterdrückt. Das in eine Richtlinie zum Schutz der Urheber hineinzulesen, ist völlig falsch und wäre bei der Umsetzung verfassungswidrig. Eine Zensur oder Einschränkung der Meinungsfreiheit wird es nicht geben. Wir wären sonst die ersten, die Alarm schlagen würden. Im Übrigen wundert mich, dass keiner gegen die Algorithmen von Youtube protestiert.

Viele große Plattformen verweigern Lizenzen bisher. Besteht nicht die Gefahr, dass sie dann eher Inhalte ihrer Nutzer blocken?

Lehari: Es wäre bedenklich, wenn Vertreter großer Plattformen offen ihre Marktmacht dazu missbrauchen würden, Schutzrechte der Kreativen zu umgehen. Schon heute filtern Plattformen, ob Urheberrechtsverletzungen begangen werden.  Das hat zu keiner Einschränkung der Meinungsvielfalt geführt und hat die Blogger und Youtuber nicht beeinträchtigt. Die Richtlinie gibt ihnen jetzt sogar erstmals stärkere Rechte. Auch der Jugendschutz ist im Internet nur durch den Einsatz von Filtern möglich und wird bereits praktiziert,  ohne dass es Proteste gibt.

Es gibt Bedenken, dass kleine Plattformen Leidtragende der Richtlinie wäre, Großkonzerne wie Google davon unberührt bleiben?

Lehari: Die Pflicht zum Handeln tritt doch erst ein, wenn die Plattform vom Rechteinhaber über eine Urheberrechtsverletzung informiert wird und dann nicht im Rahmen des verhältnismäßig Möglichen Abhilfe schafft. Auch ist es für klein Plattformen möglich, günstige  Lizenzen abzuschließen.

Kritiker meinen, dass die Reform kleine und mittlere Verlage durch die Einführung des Leistungsschutzrechts nicht von der Reform profitieren?

Lehari: Das ist unverändert Unsinn und  wird seit Monaten behauptet. Ich war von der ersten Minute dabei und kann bestätigen, dass alle Verlage in ganz Europa und in den USA hoffen, dass wir zukünftig auf Augenhöhe mit den Internetgiganten sein werden. So wie seit Jahren die Musik-und Filmindustrie und das Fernsehen.

Was wäre die Konsequenz, wenn die Richtlinie noch geändert wird?

Lehari: Jetzt noch ändern heißt scheitern. Das Paket wird von allen akzeptiert, auch  das Leistungsschutzrecht, eine Änderung bei Artikel 13 würde den Gesamtkompromiss der Reform unweigerlich stoppen. Es ist dann nicht mehr möglich, dass vor den Wahlen noch eine Einigung erfolgt. Dass ein neues EU-Parlament und eine neue Kommission den Text weiterverfolgen, ist unsicher. In jedem Fall wären Jahre verloren.

Und wenn die Richtlinie scheitert?

Lehari: Das wäre ein Schlag für die Medien- und Kreativschaffenden in Europa. Die digitalen US-Monopolisten würde das freuen. Sie könnten ihr auf der Ausbeutung von Kreativen beruhendes Geschäftsmodell ungehindert fortführen und ihre Marktmacht noch ausbauen. Ein Nein zur Richtlinie bedeutet darüber hinaus ein Nein zur Digitalisierung und Vielfalt von Kultur und Medien in Europa. Und ein Nein zur Pressefreiheit. Es würde die Demokratie in Europa schwächen. Wenn die gesellschaftlichen Debatten in Zukunft auf  Facebook und nicht in der Presse geführt werden, wo beide Seiten zu Wort kommen,  vertieft das nur die gesellschaftliche Spaltung und verschärft die Konflikte.

Glauben Sie, dass die Reform eine Mehrheit findet?

Lehari: Davon bin ich überzeugt. Auch bei der Einführung von  Gema-Gebühren für die Nutzung von Musikstücken im Internet gab es zunächst riesige Proteste. Auch damals wurde das Ende des Internets  an die Wand gemalt. Das waren alles nur Drohkulissen. In Wirklichkeit hat es zu mehr Gerechtigkeit geführt. Internet-Plattformen wie Spotify wären ohne diese Reformen gar nicht möglich. Ich bin mir sicher, dass die Abgeordneten des Europaparlaments sich nicht von falschen Informationen beirren lassen und eine positive Entscheidung im Sinne von Demokratie und Pressefreiheit in Europa treffen. Wenn unsere Inhalte nicht mehr finanzierbar und geschützt sind, können wir unseren Beitrag zur Demokratie nicht mehr leisten.(GEA)