Zeitungszustellung vor neuen Herausforderungen

BDZV-Konferenz Verlagslogistik 2022 diskutiert Perspektiven der Branche

Bis die Zeitung im Briefkasten steckt, ist es ein langer Weg. Und ein zunehmend beschwerlicher und teurer für die Verlage. Das hat die BDZV-Konferenz „Verlagslogistik 2022“ am 5. Mai einmal mehr verdeutlicht. Durch die Erfahrungsberichte der Logistiker und Experten aus den Verlagshäusern zieht sich wie ein roter Faden die Erkenntnis, dass die Zeitungszustellung wirtschaftlich kaum noch zu stemmen ist.

Verlagslogistik 2022
BDZV/Gourd

Steigender Mindestlohn, wachsende Stückkosten, zunehmender Personalmangel und enge regulatorische Vorschriften sind nur einige der Faktoren, die es den Verlagen immer schwerer machen, den Abonnenten die gedruckte Zeitung schon bei Tagesanbruch auf den Frühstückstisch zu legen. An manchen Orten sind die hohen Anforderungen an die Zeitungszustellung kaum noch zu erfüllen. Trotzdem - oder gerade deshalb – zeigt die BDZV-Konferenz Wege, wie die Logistik als Rückgrat der Zeitung gesichert werden kann. Und wie die Verlagslogistik sogar zusätzliche Erlöspotenziale bietet.

Denn, davon ist Christian Eggert, Moderator und Leiter Verlagswirtschaft beim Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV), überzeugt: „Das Geschäftsmodell einer Regionalzeitung lässt sich auch in den nächsten Jahren noch profitabel betreiben – vorausgesetzt, die Kosten laufen nicht aus dem Ruder.“

Dass die hybride Zustellung von Zeitungen und Briefen ein Baustein zu mehr Wirtschaftlichkeit sein kann, zeigt Andreas Müller, Geschäftsführer des Medienhauses Aachen. Sein Erfahrungsbericht macht aber auch deutlich, dass das für ein regionales Medienhaus einen enormen Aufwand bedeutet. Immer wieder stelle er sich deshalb die Frage, ob sich das lohne. Aber: Die Hybridquote liege heute bei 80 Prozent und ohne die gleichzeitige Briefzustellung wären die Stückkosten der Zeitungen noch höher. Müllers Fazit: „Das Briefgeschäft löst nicht unsere Probleme – aber es stützt die Zeitungszustellung.“

Dringend gesucht: Zusteller

Eines der ganz großen Probleme ist es, Zustellerinnen und Zusteller für die nächtliche Tour von Briefkasten zu Briefkasten zu finden. Wie Personal für diesen stressigen Job gewonnen und vor allem gehalten werden kann, macht Mike Vette von der Neuen Westfälischen Logistik in Bielefeld anhand konkreter Beispiele deutlich. „Wir müssen Wunscherfüller sein für die, die bei uns arbeiten“, ist sein Credo. Dafür müssten zum einen die betrieblichen Leistungen stimmen. Und zum anderen brauche es ganz persönliche, menschliche Wertschätzung und Fürsorge. Das reicht vom wärmenden Winter-Outfit über gemeinsame Veranstaltungen mit Angehörigen bis zur regelmäßigen Optimierung von Zustellbezirken, die zum Wunschverdienst der Mitarbeiter passen. „Eine ideale Bezirksstruktur ist ein richtig scharfes Schwert“, so Vette. „Das hilft enorm, den Personalbedarf und die Kosten zu reduzieren.“

Eine Erfahrung, die alle Konferenzteilnehmer eint: Das größte Problem bei der Personalgewinnung sind die nächtlichen Arbeitszeiten. Während kaum noch jemand nachts austragen möchte, findet sich für die Tageszustellung ausreichend Personal. Das führt in einigen Verlagen schon zu ernsthaften Überlegungen, die Zeitungen später auszutragen. Die Umstellung auf die digitale Zeitung sei dagegen für die meisten Abonnenten keine Alternative, weiß Andreas Müller aus Aachen. „Die Akzeptanz für eine spätere Zustellung ist größer als die für ein E-Paper. Das hören wir in vielen Gesprächen mit unseren Abonnenten.“

Deckungsbeiträge durch Postzustellung

Wie vielfältig die Beschäftigungskombinationen durch die ergänzende Postzustellung auf der letzten Meile geworden sind, weiß Jan Fitzner, Geschäftsführer Logistik bei der Oldenburger Nordwest Mediengruppe. Und er weiß auch, welche Deckungsbeiträge dem Medienhaus die KEP, also Kurier-, Express- und Paketleistungen, bringen. Während er die Zustellung großer Pakete als wenig lukrativ für Medienhäuser einschätzt, lohnen sich Kurier und Express als Ergänzung zur Zeitung auf jeden Fall, rechnet Fitzner vor. Vor allem in briefkastenfähigen Warensendungen sieht er großes Potenzial und ist sich sicher: „Die Postzustellung lohnt sich.“

Sie lohnt sich künftig sogar noch mehr, gibt Prof. Christian König, Direktor ZEI an der Uni Bonn, den Konferenzteilnehmern mit seinen Ausführungen zur „Preis-Kosten-Schere“ mit auf den Weg. Denn erst die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen im Briefmarkt machen einen realistischen Wettbewerb mit der Deutschen Post möglich. Das biete den Verlagen bessere Chancen, mit der Briefzustellung tatsächlich Geld zu verdienen.

Spätere Zustellung als Lösung?

Da die Zeitungsmengen in der Zustellung aber sinken und die Stückkosten gleichzeitig steigen – allein um 20 Prozent in den letzten zwei Jahren – regt Michael Ulbrich, Geschäftsführung Medialogistik/PostModern Dresden, einen Perspektivwechsel an. „Früher haben wir mit der Zeitung ein paar Briefe mitgenommen, heute drehen wir das um und nehmen mit den Briefen ein paar Zeitungen mit.“ Denn wenn die Zeitungszustellung organisatorisch immer schwieriger und teurer werde, sei eine Kostenreduktion nur durch die Zusammenlegung von Zeitung und Postzustellung auf dem gleichen Weg möglich. Seine Idee: Der Postzusteller nimmt die Zeitung mit, die Zustellung erfolgt dann zwischen fünf Uhr morgens und 13 Uhr. Dass das für viele Abonnenten eine Veränderung von Gewohntem bedeute, sei ihm klar, sagt Ulbrich. Aber angesichts der Herausforderungen der Verlagslogistik seien neue Wege denkbar.

Dass die Zustellung auch durch technische Tools optimiert werden kann, zeigt Anna Burger vom Südkurier Konstanz. Die eigens entwickelte Zustellapp habe die Kommunikation zwischen Verlag und Zeitungsboten deutlich verbessert. Ähnlich gute Erfahrungen haben Robert Modliba und Ivana Vucilovski von Mediaprint in Wien mit ihrer digitalen Zustellorganisation gemacht. Vom Bewerbermanagement bis zum Online-Werkvertragsabschluss standardisiert die Webentwicklung zentrale Prozesse der Logistik und macht sie damit einfach und effizient.

Einmal mehr macht die BDZV-Konferenz deutlich, was für ein herausforderndes und schwieriges Terrain die Verlagslogistik ist. Sie zeigt aber auch, dass Kreativität und neue Ansätze den täglichen Weg der Zeitung bis zum Briefkasten sichern helfen.