Zeitungsverleger dringen auf Reform des EU-Urheberrechts

BDZV-Vizepräsident Lehari: „Uns geht es darum, dass wir mit den Technologiekonzernen auf Augenhöhe kommen.“

Wie können journalistische Texte im Internet besser geschützt werden - etwa davor, dass Konzerne wie Google sie ohne Lizenz nutzen? Über die Pläne für eine Reform des Urheberrechts in der EU will das Europäische Parlament am Mittwoch (12. September) abstimmen. «Es geht hier um eine Initiative, wie Qualitätsjournalismus auch künftig finanzierbar ist», sagte der Vizepräsident des Europäischen Zeitungsverlegerverbandes (ENPA), Valdo Lehari jr., im Interview der Deutschen Presse-Agentur.

Der 65 Jahre alte Verleger des „Reutlinger General-Anzeigers" kämpft seit Jahren für die europaweite Einführung des sogenannten Leistungsschutzrechtes (LSR). Es soll dafür sorgen, dass Internet-Plattformen nicht mehr ohne Weiteres Überschriften und Ausschnitte von Pressetexten anzeigen dürfen. In Deutschland gilt das LSR schon seit dem Jahr 2013. Es führte jedoch nicht zu nennenswerten Geldzahlungen von Konzernen wie Google an die Verlage.

Das Europaparlament hatte Pläne zur Reform des EU-Urheberrechts im Juli noch zurückgewiesen. In der neuen Sitzung stimmen die Parlamentarier auch über Alternativvorschläge ab. Die Verleger warnen davor, den Entwurf zu verwässern und die Initiative so ins Leere laufen zu lassen. Sie wollen einen Schutz erreichen wie es ihn bereits für Filme, Musik und Fernsehinhalte im Netz gibt.

„Uns geht es darum, dass wir mit den Technologiekonzernen auf Augenhöhe kommen", sagte Lehari, der auch Vizepräsident des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) ist. So sollten aus Sicht der Verleger Internetgiganten wie Google, Facebook und Apple eine Vereinbarung mit den Verlagen treffen müssen. Lehari wies Befürchtungen zurück, dass es für private Nutzer zu Einschränkungen komme.

„Zentral ist die Frage, wie Urheber, Autoren künftig beteiligt werden können an den Erlösen. Wenn mehr Erlöse da sind, kann man auch mehr verteilen", sagte Lehari. Mehr als 100 Organisationen, darunter mehrere Nachrichtenagenturen, unterstützen das Anliegen. Dagegen hatten Netzaktivisten in einem offenen Brief die EU-Parlamentarier vor dieser Reform des Urheberrechts und einer Einschränkung der Presse- und Meinungsfreiheit gewarnt.

Hier das Interview im Wortlaut:

Frage: Worum geht es Ihnen beim Leistungsschutzrecht?
Antwort: Es geht hier um eine Initiative, wie guter Journalismus auch künftig finanzierbar ist. Das ist die beste Antwort auf Falschinformationen. Schon jetzt sind etwa Filme, Musik undFernsehinhalte im Netz besonders geschützt. Dagegen haben die mit viel Aufwand produzierten journalistische Inhalte nicht den gleichen Schutz. Uns geht es darum, dass wir mit den Technologiekonzernen auf Augenhöhe kommen. Wir haben als Verlage ein Interesse daran, unsere Informationen für eine demokratische Meinungsbildung zu verbreiten. Allerdings sollten dafür Internetgiganten wie Google, Facebook und Apple eine Vereinbarung mit den Verlagen treffen müssen.

Frage: Was sagen Sie Kritikern - also zum Beispiel den Netzaktivisten, die um die Zukunft des Internets fürchten?
Antwort: Es ist ein Märchen, wenn Kritiker behaupten, es gehe hier um eine Steuer für Internetlinks oder darum, die private Nutzung für den Heimgebrauch einzuschränken. Es gibt keine Einschränkungen.
Fernsehen, Film und Musik haben diesen Schutz schon lange - und das Internet ist daran auch nicht kaputtgegangen.

Frage: Wie schätzen Sie die Chancen ein, dass das EU-Parlament im Sinne der Verleger entscheidet?                                                                                                                                                      Antwort: Ich bin optimistisch, dass was bewegt werden und das Mandaterteilt werden kann, in das Verfahren für ein Leistungsschutzrecht einzusteigen. Es gibt zwar eine Menge Missverständnisse und
Falschinformationen. Auch die Sorgen einzelner Abgeordneter müssen wir natürlich ernst nehmen. Zentral ist aber die Frage, wie Urheber, Autoren künftig beteiligt werden können an den Erlösen. Wenn mehr
Erlöse da sind, kann man auch mehr verteilen. Ich glaube, dass noch gar nicht wahrgenommen wurde, dass uns die Gewerkschaften Verdi und der Deutschen Journalisten-Verband unterstützen. Wie auch die Künstlerorganisationen. Es gibt über 100 Organisationen, die sagen, dass das gemacht werden muss. Zuletzt haben auch die Europäische Föderation der Journalisten sowie Nachrichtenagenturen sich dafür stark gemacht.

Frage: Trotzdem bleiben die Widerstände groß. Was können Sie dagegen tun?
Antwort: Wir können nur appellieren an das Europäische Parlament, damit die Vielfalt der Presselandschaft erhalten bleibt - und um journalistische Qualität in Europa zu bewahren. Der größte Teil der Grünen im EU-Parlament ist gegen das Leistungsschutzrecht. Da ist auf einmal die Rede von Zensur. Es werden Dinge vermengt, die nichts miteinander zu tun haben. Das ist eine unsägliche Angstmache. Die Behauptung des Internetriesen Google, es gebe im Fall eines Leistungsschutzrechts mehr Fake News, ist eine Unverschämtheit. Das Gegenteil ist der Fall.

Frage: Bedeutet das am Ende aber nicht doch für den Internetbenutzer mehr bezahlpflichtige Inhalte, weil sich die Konzerne das Geld bei den Nutzern zurückholen?
Antwort: Nehmen Sie das Beispiel Musikindustrie. Da gab es am Anfang auch Wildwest trotz des Leistungsschutzrechts. Aber erst dieses Recht hat den Musikverlagen letztlich geholfen, eine gewisse Abostruktur zu etablieren. Und die Leute haben verstanden, dass sie nicht einfach alles kostenlos runterladen können. Das Internet ist daran nicht kaputtgegangen. Im Gegenteil: Zum Beispiel ist der Streamingdienst Spotify entstanden. Leistung kann nicht kostenlos sein - und kreative Leistung schon mal gleich gar nicht. Die Kreativen müssen auch davon leben können. Der Urheber ist zwar jetzt schon geschützt. Aber der Verlag hat rein gar nichts im Moment davon - er verliert sogar, weil mit der Werbung im Internet andere Geld verdienen.

Frage: Die im Kanzleramt für Digitalisierung zuständige Staatsministerin Dorothee Bär (CSU) hat sich auch gegen das Leistungsschutzrecht ausgesprochen. Was sollte die Bundesregierung tun?
Antwort: Die CDU/CSU-Abgeordneten im Europaparlament sind zum Glück nicht dem Aufruf von Frau Bär gefolgt. Sie sind für das Leistungsschutzrecht. Der EVP-Fraktionsvorsitzende Manfred Weber hat ebenfalls dafür gestimmt. Der Aufruf von Frau Bär war für mich unfassbar - und gegen den Koalitionsvertrag gerichtet. Ich habe das nicht verstanden. Auch die deutsche Regierung hat im Europäischen Rat
dafür gestimmt.

Frage: Wenn es käme, welchen Vorteil hätten Sie als Verleger von dem Recht? Wie würde das technisch aussehen?
Antwort: Dass wir zum Beispiel direkt mit Google einen Vertrag abschließen könnten zur Nutzung von Inhalten gegen eine Lizenz. Schließlich macht der Konzern Google ausschließlich Geld damit, dass er unsere Inhalte verwertet. Denkbar ist auch, dass eine Verwertungsgesellschaft wie die Gema bei der Musik sich darum kümmern wird.

ZUR PERSON: Valdo Lehari jr. ist Verleger des «Reutlinger General-Anzeigers». Er ist 65 Jahre alt, verheiratet, zweifacher Familienvater und Jurist. Der frühere Präsident des Europäischen Zeitungsverlegerverbandes ENPA, deren Vizechef er heute ist, gilt als bestens vernetzt in der Brüsseler Politik. Zudem ist er Vizepräsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) und hält einen Sitz im Aufsichtsrat der Deutschen Presse-Agentur. In Baden-Württemberg ist Lehari Vorsitzender des Verbandes der Südwestdeutschen Zeitungsverleger (VSZV).