23. März 2007 | Allgemeines
Werberat: 1.116 Proteste gegen kommerzielle Werbung im Jahr 2006
Vorsitzender Schrader fordert: Brüssel muss Unterwanderung der Selbstkontrolle stoppen
Durch diese Form der Darstellung würden farbige Menschen als Leibeigene diskriminiert, hieß es den Beschwerden. Angesichts der Vorwürfe habe der Zeitschriftenverlag die Anzeige zurückgezogen. Auch die beiden vom Werberat ausgesprochenen öffentlichen Rügen betrafen die Darstellung von Frauen. Ein lokaler Funknetzanbieter habe mit dem nackten Oberkörper einer Frau und dem Text geworben: Lust auf ´ne billige Nummer? Kannst auch deine alte mitbringen“. Die zweite Rüge richtete sich gegen eine Autoglasfirma. Auf dem Transporter des Unternehmens zeigte ein Pfeil auf das mit einem Muttermal versehene Gesäß einer Frau mit den Sprüchen: „Steinschlagreparatur“ und „Solche Flecken auf Ihrer Windschutzscheibe reparieren wir kostenlos“.
In beiden Fällen seien die Frauen als Objekte dargestellt und gedemütigt worden, kritisierte der Werberatsvorsitzende Jürgen Schrader, der ankündigte, nach 14 Jahren in diesem Amt im Mai zurückzutreten. Diskriminierung trete vor allem dann auf, wenn der Körper oder Teile des Körpers ohne Zusammenhang mit der beworbenen Ware oder Dienstleistung gezeigt würden. Als nicht diskriminierend stufte der Werberat hingegen den ZDF-Spruch „Mit dem Zweiten sieht man besser“ ein, bei dem sich Prominente ein Auge zuhalten. Dem Vorwurf, damit würden sehbehinderte Menschen diskriminiert, folgte der Werberat nicht.
Heftige Proteste und Diskussionen löste eine ganzseitige Anzeige des Musiksenders MTV aus. Der Sender hatte unter der Überschrift „Lachen statt rumhängen“ für den Start seiner Zeichentrickserie „Popetown“ geworben, die das Leben im Vatikan karikiert. Zu sehen war auf der Anzeige im Hintergrund ein leeres Kreuz auf einem Hügel; im Vordergrund sitzt Christus mit Dornenkrone und Fernbedienung vor einem TV-Gerät und lacht. Nach dem Tadel durch den Werberat zog MTV die Anzeige zurück. Insgesamt beanstandete das Selbstkotrollgremium 63 Werbemaßnahmen der Wirtschaft; in 61 Fällen stellten die Unternehmen sie daraufhin ein oder änderten sie ab. Das bedeute eine „Durchsetzungsquote“ von 97 Prozent, sagt Schrader.
Neben der Diskriminierung von Frauen (38 Prozent), die traditionell die größte Zahl von Beschwerden auf sich zieht, wurden vor allem Gewaltverherrlichung (11 Prozent) und Gefährdung von Kindern und Jugendlichen (acht Prozent) in Werbeaussagen kritisiert.
Kritisch äußerte sich der Werberat zu Plänen der EU-Kommission für eine weitgehende Regulierung der Werbung. Die EU versuche, die in der Bundesrepublik verankerte Selbstregulierung der Werbeindustrie durch Beschränkungen unter anderem für alkoholische Getränke, Autos und Lebensmittel auszuhebeln, beklagte Schrader. Widerstand gegen diese Begehrlichkeiten lasse sich, wie das „Einknicken“ der Werbewirtschaft in Frankreich und Großbritannien gegenüber EU-Forderungen jüngst gezeigt habe, nur schwer organisieren, fügte Georg Wronka hinzu, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands der Deutschen Werbewirtschaft (ZAW). „Leider gibt es keine europäische Allianz der Abwehr gezielter Übergriffe durch die EU.“
Anlässlich der Jahrestagung des Werberats ist auch das „Jahrbuch 2007“ des Selbstkontrollgremiums erschienen. Die 72 Seiten starke Publikation kann zum Preis von fünf Euro bezogen werden über: Verlag Edition ZAW, Telefon 030/590099700, E-Mail werberat(at)werberat.de.