Vorlesestudie 2020: Warum Eltern wenig vorlesen

Eine Familie liest
Stiftung Lesen

Rund 32 Prozent der Eltern in Deutschland lesen ihren Kindern selten oder nie vor – diese Zahl ist seit Jahren konstant. Das berichten die Verantwortlichen für die „Vorlesestudie 2020“, die am 27. Oktober Corona-bedingt bei einer Online-Pressekonferenz vorgestellt wurde. Erstmalig geht die jährlich präsentierte Studie – ein gemeinsames Projekt von Stiftung Lesen, „Die Zeit“ (Hamburg) und Deutsche Bahn Stiftung – damit der Frage nach, welche Gründe hinter den stagnierenden Zahlen stecken. Dazu wurden bundesweit 528 Eltern befragt, die maximal einmal pro Woche vorlesen.

Häufig fehlt es laut Studie an Zeit und Bereitschaft zum Vorlesen. Die Hälfte der Eltern gibt an, dass es im Haushalt anderes zu tun gibt und sie zu erschöpft zum Vorlesen sind. Außerdem denken 48 Prozent der befragten Eltern, dass ihren Kindern woanders schon genug vorgelesen wird, vor allem in der Kita. „Vorlesen ist für viele der Befragten eine zusätzliche Belastung in ihrem Alltag“, erläutert Dr. Rainer Esser, Geschäftsführer der Zeit-Verlagsgruppe. „Dabei lässt es sich mit anderen Freizeitaktivitäten wie etwa Basteln gut verbinden, das wollen wir noch mehr zeigen. Schon fünf Minuten Vorlesen sind besser als nichts.“

Damit einher geht die Erkenntnis, dass 49 Prozent der Eltern keinen Spaß am Vorlesen haben. Eine Erklärung dafür ist laut Dr. Jörg F. Maas, Hauptgeschäftsführer Stiftung Lesen: Die Eltern glaubten, schauspielern und ihre Kinder zum geduldigen Zuhören zwingen zu müssen. 44 Prozent der befragten Eltern sagten, dass ihr Kind zu unruhig sei, 31 Prozent gäben an, dass ihr Kind selbst gar nicht vorgelesen bekommen möchte. „Viele der befragten Eltern stehen dem Vorlesen kritisch gegenüber“, so Maas, „es macht ihnen keinen Spaß, weil sie sich der Aufgabe nicht gewachsen fühlen. Die Hälfte hat in ihrer eigenen Kindheit zu Hause keine Vorleseerfahrungen gemacht. Ihnen fehlt das Vertrauen, dass Vorlesen jederzeit und überall ohne Übung möglich ist.“

Auch mangelt es in vielen Haushalten an Vorlesestoff. 68 Prozent der befragten Haushalte geben an, dass ihre Kinder maximal zehn Bücher haben. Sie sehen diese Tatsache häufig nicht als Manko, allerdings fänden es 57 Prozent der befragten Eltern gut, wenn ihre Kinder regelmäßig Bücher geschenkt bekämen. Die Studie zeigt auf, dass Buchgeschenke die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass Eltern häufiger vorlesen. „Geschichten müssen zu den Familien kommen, egal ob als Buch oder digital“, fordert vor diesem Hintergrund Jürgen Kornmann, Leiter Marketing & PR der Deutschen Bahn AG und Beauftragter Leseförderung der Deutsche Bahn Stiftung. „Vorlesestoff sollte im Alltag überall verfügbar sein – attraktiv, unkompliziert, niedrigschwellig und in möglichst vielen Sprachen. Das erhöht zudem die Wahrscheinlichkeit, dass die Eltern häufiger vorlesen.“

Alle Ergebnisse sowie Vorleseempfehlungen für Kinder zwischen einem und acht Jahren finden Sie unter: www.stiftunglesen.de/vorlesestudie