Sonderpreis

Deniz Yücel

All das wäre kaum zu ertragen ohne Menschen und Institutionen, die einen lieben und unterstützen

Danksagung anlässlich der Verleihung des Sonderpreises beim Journalistenpreis der der deutschen Zeitungen – Theodor-Wolff-Preis am 21. Juni 2017 in Berlin, von Deniz Yücel in der Haft seinen Anwälten diktiert.


Mit einem Wort: Wow! Oder förmlicher, aber nicht weniger euphorisch: Es ist mir eine große Ehre; haben Sie herzlichen Dank für diese Auszeichnung. Für meine Texte habe ich den Theodor-Wolff-Preis nie erhalten, jetzt bekomme ich ihn, indem ich hier bloß dumm rumsitze. Hätte ich das mal früher gewusst...

Aber im Ernst: Falls es zu Ihren Absichten gehörte, mich mit dieser wertvollen Auszeichnung ein wenig aufzumuntern, dann sei Ihnen versichert: Es ist Ihnen vortrefflich gelungen. Auch dafür danke ich Ihnen. Zugleich erlaube ich mir, diesen Preis auch als Zeichen der Anteilnahme mit meinen zahlreichen türkischen Kolleginnen und Kollegen zu interpretieren, die größtenteils unter ähnlich absonderlichen Anschuldigungen, aber seit sehr viel längerer Zeit dieses und andere Gefängnisse des Landes füllen.
Da ich nur im höchst eingeschränkten Maße mit der Außenwelt kommunizieren kann, möchte ich die Gelegenheit nutzen, um ein paar Worte zu sagen.

So gerne ich diesen Preis entgegengenommen hätte, gibt es gewisse, derzeit unverrückbare Umstände, die mich davon abhalten. Darum erlaube ich mir, einige Freunde und Kollegen zu bitten, an meiner Statt und in meinem Namen den Preis zu empfangen. Es sind zugleich jene, die ich unter den vielen Menschen, die sich in ganz unterschiedlichen Formen und Funktionen für mich und meine inhaftierten türkischen Kollegen einsetzen und denen ich allen zum größten Dank verpflichtet bin, hervorheben möchte.

Da ist mein Freund und Kollege Daniel-Dylan Böhmer von der „Welt“, der seit vielen Monaten in Istanbul, Berlin und andernorts so leidenschaftlich für mich kämpft und sich so fürsorglich um mich kümmert, dass er dafür – und das ist mein voller Ernst – nicht weniger einen Journalistenpreis verdient hat.

Da ist mein Chefredakteur Ulf Poschardt. Mit seinem großen persönlichen En¬gagement, aber auch stellvertretend für meine Zeitung, „Die Welt“, und für meinen Verlag, den Axel-Springer-Verlag, deren riesige Unterstützung trotz Isolationshaft, Briefverbot und nur sehr eingeschränkten Besuchsmöglichkeiten bis hinter die kalten Gefängnismauern von Silivri durchdringt.
Da sind Özlem Topcu von der „Zeit“, Doris Akrap von der „taz“, Imran Ayata, mein alter Freund Mustafa Ünalan und meine Schwester Ilkay, die mich bei dieser Angelegenheit mit Rat und Tat begleitet haben und derart viel Staub aufwirbeln, dass, da bin ich zuversichtlich, die Machthaber in der Türkei in Bälde meine Freilassung veranlassen werden, weil sie diese ständigen Free-Deniz-Rufe nicht mehr hören können.

Und da ist, allen voran, meine geliebte Frau Dilek, deren Liebe mir so viel Kraft gibt, dass ich alles, was hinter mir liegt, gut überstanden habe und für alles gewappnet bin, was da vielleicht noch auf mich zukommen wird.

Wie gut, dass es dich gibt! İyi ki varsın!

Und wenn Sie nun fragen: Was wirklich alle? Dann muss ich Ihnen antworten: Ja, bitte wirklich alle. Denn das ist bei uns immer so: Immer ganse Familya. Und noch aus einem weiteren Grund: All das wäre kaum zu ertragen ohne Menschen und Institutionen, die einen lieben und unterstützen und alles tun, was gerade nötig ist: Socken schicken, Autokorso organisieren, diplomatische Krise anzetteln, was auch immer. Ich schätze mich glücklich, all dies hinter mir zu wissen.
Außerdem habe ich den Theodor-Wolff-Preis gewonnen; es gibt eigentlich nichts, worüber ich meckern könnte.

Ich danke Ihnen noch einmal und gratuliere allen anderen Preisträgern, die mit ihren Arbeiten einmal mehr bewiesen haben, wie wichtig eine freie Presse für Freiheit, Demokratie und Gerechtigkeit ist. Ich bin davon überzeugt, dass sie dies getan haben; schließlich gewinnt man den Theodor-Wolff-Preis allenfalls im Ausnahmezustand durch bloßes Dummrumsitzen.

 

Deniz Yücel