Ich stehe für gute Unterhaltung

Von Andrea Glitz

Peter Rist macht bundesweit Schlagzeilen. Nicht als Reutlinger Finanzdezernent, sondern als singender Bürgermeister, der angekündigt hat, er werde nach Ablauf seiner Amtszeit in zwei Jahren nicht mehr für den Rathausposten antreten, sondern sich ganz der Schlagerbranche verschreiben. Im Interview mit dem Reutlinger General-Anzeiger spricht Rist über Künstlerkarriere, Amt, Geld und Familienglück.

REUTLINGEN. Schon jetzt arbeitet Peter Rist an seiner Karriere. Am 19. November stellt der Reutlinger Wirtschafts- und Finanzbürgermeister in der Listhalle sein erstes großes Album vor. Das soll die Fans des Künstlers weiter mehren. Als Bürgermeister hat sich der 42-Jährige mit der Ankündigung seiner Lebensplanung nicht nur Freunde in der Stadt gemacht. Andrea Glitz hat sich mit dem Schlagerstar in spe unterhalten, der fest überzeugt ist, dass er das Zeug zu einer Bühnenkarrierehat.

GEA: Ist der Posten des Finanzbürgermeisters einer Großstadt mit aktuell etwa 110 Millionen Euro Schulden mit der Schlagerkarriere vereinbar?

Peter Rist: Finanzbürgermeister in Reutlingen ist ein Traumberuf für mich und eine echte Herausforderung. Musik ist mein Hobby, ich bin ein durch und durch musischer Mensch. Ich mache Musik, schreibe Texte und Gedichte. Das Finanzdezernat ist häufig weniger ein Lust- als vielmehr ein Lastdezernat. Musik und Unterhaltung sind mein Ausgleich. Zeitlich ist die Vereinbarkeit auch kein Thema. Ein Freund von mir ist Bürgermeister und Jäger: Er verwendet ein Vielfaches der Zeit, die ich im Tonstudio, fürs Üben zu Hause und dergleichen aufwende, auf dem Hochsitz. Was derzeit leidet, ist die Familie, die wieder im Allgäu lebt, gar keine Frage.

Sehen Sie die Würde des Bürgermeisteramtes beschädigt, wenn Sie in der Bildzeitung als »Schalalalala-Schultes« bezeichnet werden?

Rist: Ich werde auf diese Frage nicht antworten.

Sehen Sie eine gewisse Unvereinbarkeit oder nicht?

Rist: Meinungen sind frei. Ich sorge dafür, dass Amt und Hobby vereinbar sind. Es gibt sicher Hobbys, da würde ich sagen, das verträgt sich nicht, das hat nichts mit guter Unterhaltung zu tun. Ich jedoch stehe für gute Unterhaltung ein. Ich habe im Übrigen sogar einen Titel, der heißt »Schalalalalala«. Was ist da dran verwerflich?

Würden Sie sich als Bürger einen »Schalalalala-Schultes wünschen?

Rist: Das ist nicht das Thema!Für manche Leute schon.Rist: Das ist Quatsch. Die Frage ist Unsinn. Sie ist tendenziell und suggestiv. Ich habe nicht in der Hand, was Journalisten schreiben. Einer hat geschrieben, ich solle den Hut nehmen. Glauben Sie, da mache ich mir Gedanken drüber, wenn irgendeiner so was schreibt?

Können Sie sich vorstellen, dass ein Bürgermeister, der in der Müller-Galerie eine Autogrammstunde angekündigt hat, Bürger, Kollegen in den Amtsstuben und Kommunalpolitiker irritiert?

Rist: Ich bin nicht angetreten, es allen recht zu machen. Weder in meinem Beruf als Bürgermeister noch als Künstler in der Unterhaltungsbranche. In meinem Amt geht es darum, meinem Amtseid entsprechend das Beste für die Stadt zu ermöglichen. In meiner künftigen Berufung geht es darum, diejenigen, die sich inspirieren lassen wollen, glücklich zu machen. Es muss keiner in meine Konzerte gehen.Zwei Jahre haben Sie Ihren Kritikern Zeit gegeben, Sie zu diskreditieren.

Warum haben Sie Ihre Lebensplanung so früh veröffentlicht?

Rist: Eine gute Frage. Weil ich nach meinen guten Grundsätzen lebe. Als meine Familie ins Allgäu zurückgekehrt ist, musste ich mich ummelden, denn man darf nur einen Familienwohnsitz haben. Und das bedeutete für mich »Kreistagsmandat Ade«. Dann lag die Frage auf der Hand, wie’s weitergeht mit dem Bürgermeisteramt. Für meine Frau und mich war damals schon klar, dass ich aufgrund der familiären Situation nicht verlängern werde. Ich wollte Farbe bekennen und nicht lügen. Hätten Sie mich vor zwei Jahren, als die Familie noch hier war, nach der Amtsverlängerung gefragt, hätte ich »ja« mit fünf Ausrufezeichen gesagt. Aber wenn ich schon keine zweite Amtszeit Bürgermeister von Reutlingen sein kann, dann möchte ich ein ganz anderes Leben antreten. Vielleicht bin ich ein schlechter Taktiker. Vielleicht bin ich zu ehrlich. Mit dem Makel kann ich leben.

Im Spiegel-Online-Interview sagen Sie: »Es gibt schließlich Wichtigeres als ein sicheres Leben.« Warum gilt dieser Satz für Sie erst in zwei Jahren?

Rist: Sicherheit wird in unserer furchtbar materiell orientierten Welt immer aufs Geld gemünzt. Was ist wirklich wichtig im Leben? Dass man irgendwann mal Besoldungsgruppe 7 erreicht? Ich gehe auf Nummer sicher, was das Glück meiner Familie angeht.

Immerhin sind Sie der Haupternährer der Familie.

Rist: Sie unterstellen wohl, dass ich des Geldes wegen bleibe. Des Geldes wegen mache ich wenig. Ich bin zwar Finanzbürgermeister, aber privat spielt Geld für mich keine große Rolle. Mir reicht’s immer, weil ich sehr genügsam sein kann. Außerdem: Wer sagt Ihnen, dass ich nicht schon von meinen Auftritten leben könnte? Ich bin als Exklusivkünstler bei der hoch angesehenen Agentur Künstlermedia unter Vertrag. Das ist eine Riesenehre und heißt, dass man dort großes Potenzial in mir sieht. Ich stehe seit meinem siebten Lebensjahr auf der Bühne. Ich mache schon sehr lange Musik, moderiere Konzerte etc. Ich weiß, was ich nicht kann und ich weiß, was ich kann: Ich kann Menschen gut unterhalten. Meine Fans werden nicht wenige sein.

Warum starten Sie Ihre Karriere dann nicht sofort?

Rist: Ich bin auf acht Jahre gewählt. Ich bleibe, weil ich mein Versprechen halten will. Das ist der Punkt. Ich werde bis 5. Juni 2013 mein Amt hier gut versehen.

Reden wir von Ihrer Politik. Was konnten Sie bisher bewegen? Was wollen Sie noch auf den Weg bringen?

Rist: Ich möchte jetzt nicht zurückblicken. Der Zeitpunkt wird kommen unddann – so glaube ich – wird sich meine Bilanz sehen lassen können. Ich habe sehr gute Mitarbeiter und neben der Leistung stimmt in meinem Dezernat auch das Miteinander. Das macht mich richtig stolz. Das Wie ist mir im Zweifel immer wichtiger als das Was. Die neue Stadthalle, an deren Entstehen mein Dezernat viel mitarbeitet, muss gut an den Start gehen und das Thema Güterbahnhof liegt mir für den Wirtschaftsstandort Reutlingen besonders am Herzen. Daneben gibt es noch so viele wichtige Themen. Ich werde nicht alle Projekte fix und fertig übergeben können, aber ich hoffe, noch ein paar Riesenschritte für Reutlingen zu machen.

Deutschlandweit ist Reutlingens singender Finanzbürgermeister in den Medien präsent. Glauben Sie, dass Ihnen ohne den Rathausposten die gleiche Aufmerksamkeit zuteil würde?

Rist: Für mich ist das nicht entscheidend. Entscheidend in dieser Branche ist, ob man Fanpotenzial besitzt. Wenn ja, dann läuft es. Wenn nicht, ist es egal, wie oft man in der Zeitung steht. Säle fülle ich auch ohne Bildzeitung und Bunte. Ich glaube, dass ich noch viel größer in Zeitungen erscheinen werde.

Aber es wird immer Nebensache bleiben. Also kein Bürgermeisterbonus?

Rist: Ich habe so viel zu tun! Muss ich mich das fragen? Die Antwort ist mir egal. Ich überschätze den Journalismus nicht. Die mediale Aufmerksamkeit stört mich eher, sie bringt mich vom Eigentlichen ab.

Warum haben Sie Ihre CD-Vorstellung und das Konzert in Reutlingen nicht aufs Jahr 2013 gelegt?

Rist: Sie können als Künstler nicht sagen, wenn Ihnen ein Lied einfällt: »Toll, aber das spiele ich erst in zwei Jahren.« Das geht doch nicht. Alles hat seine Geschichteund seine Zeit. Und alles steht in einem großen Zusammenhang – bei mir zumindest. Im Übrigen hätte ich das Konzert deutlich früher ansetzen können.

Mit Rücksicht auf mein Bürgermeisteramt habe ich den Zeitpunkt so weit wie möglich nach hinten geschoben.Warum stellen Sie Ihr erstes großes Album in Reutlingen vor?

Rist: Das Allgäu hätte sich zweifelsohne ebenso angeboten. In und um Isny im Allgäu bin ich bekannt wie ein bunter Hund. Aber ich mache es hier in Reutlingen, um damit das Signal zu geben, dass ich ganz hier und noch längst nicht weg bin. Mein Titel »Hier bei Euch« ist übrigens den Reutlingern gewidmet. Darin drücke ich aus: »Ich war und bin verdammt gerne hier. Und ich werde bis 5. Juni 2013 weitermachen.«

Auf Ihrer Facebook-Seite stand zu lesen: »Weitere große Auftritte wird es mit Rücksicht auf mein Amt als Bürgermeister der Stadt Reutlingen erst nach oben beschriebener Veranstaltung am 19. November 2011 geben.« Bedeutet das, dass Sie danach keine Rücksicht mehr aufs Amt nehmen?

Rist: Sie verstehen den Satz falsch. Er bedeutet: Der offizielle Karrierestart findet in Reutlingen statt. Kein anderer Auftritt nimmt der Stadt dieses Vorrecht weg, weil ich als Bürgermeister eine besondere Verbundenheit zu ihr habe.

Aus Ihrer Sicht ist das also eine besondere Ehre für die Stadt?

Rist: Ja. Ich glaube und hoffe, Reutlingen damit zu beehren.

Welche größeren Projekte stehen an?

Rist: Es wird weitere und noch größere Auftritte geben. Vor dem 19. November wird aber niemand Weiteres erfahren.

Bürgermeisteramt weg. Schlagerkarriere läuft nicht. Was machen Sie, wenn’s schief geht?

Rist: Ich beschäftige mich nicht mit Problemen, die wahrscheinlich nicht auftreten.