Preisträgerin 2013

BDZV verleiht Bürgerpreis der deutschen Zeitungen an Gaby Wentland

In den deutschen Zeitungen vergehe derzeit kaum ein Tag, „an dem nicht über die Einschränkung des Menschenhandels, die Bestrafung von Freiern oder das Verbot von Prostitution gesprochen und geschrieben wird“. Das unterstrich BDZV-Präsident Helmut Heinen bei der Verleihung des Bürgerpreises der deutschen Zeitungen an Gaby Wentland am 20. Februar 2014 in Berlin.

Die Jury – alle Chefredakteure der im BDZV organisierten Verlage – hatte der Gründerin der MISSION FREEDOM die mit 20.000 Euro dotierte Ehrung für ihr Engagement für zwangsprostituierte junge Mädchen und Frauen zugesprochen, die von Menschenhändlern vor allem aus Rumänien, Bulgarien und Nigeria nach Deutschland gelockt wurden.

Der Bundestagsabgeordnete Frank Heinrich, der als Theologe und Sozialpädagoge die Arbeit der Preisträgerin begleitet, würdigte Gaby Wentland vor rund 120 geladenen Gästen aus Politik und Medien in Berlin als eine Persönlichkeit, die nicht nur im Stillen wirke. „Sie will einzelnen Menschen helfen und zugleich ihr Möglichstes tun, um die Öffentlichkeit für diesen alltäglichen Skandal vor unseren Haustüren zu sensibilisieren.“

"Diese Auszeichnung hilft dem Kampf gegen den Menschenhandel", betonte Gaby Wentland. Die Zeitungen seien für dieses Engagement unverzichtbar. Denn der Kampf könne nur gemeinsam mit Politik und Medien geführt werden, wenn er Aussicht auf Erfolg haben wolle. Das Preisgeld soll in eine Aufklärungskampagne fließen. 

Bisher als Bürger des Jahres gewürdigt wurden 2010 Thomas Beckmann (nominiert von der "Rheinischen Post", Düsseldorf), 2011 das Ehepaar Birgit und Horst Lohmeyer (nominiert von der "Ostsee-Zeitung", Rostock) und 2012 Nora Weisbrod, nominiert von "Allgemeiner Zeitung" (Mainz) und "Wiesbadener Kurier".  Der Solo-Cellist Beckmann hat die in 100 deutschen Städten aktive Obdachlosenhilfe-Organisation "Gemeinsam gegen Kälte" gegründet. Birgit und Horst Lohmeyer engagieren sich in dem Örtchen Jamel (Mecklenburg-Vorpommern) gegen Neonazis und rechte Gewalttäter. Nora Weisbrod unterstützt als Gründerin und Geschäftsführerin der „Aktion Tagwerk“ Bildungsprojekte für Kinder und Jugendliche in Ruanda, Burundi und Südafrika.

Bei der aktuellen Preisträgerin handelt es sich um eine Nominierung des „Hamburger Abendblatts“.Ausgezeichnet als „Deutschlands Bürger/Bürgerin des Jahres“ werden Personen, die auch jenseits ihrer eigentlichen Profession Herausragendes für die Gesellschaft leisten. Die deutsche Nationalität ist ausdrücklich nicht Voraussetzung.

Preisträgerin Gaby Wentland

Preisverleihung des Bürgerpreises 2013
BDZV

Grußwort anlässlich der Preisverleihung Grusswort von Helmut Heinen, Präsident Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger, anlässlich der Verleihung des Bürgerpreises der Deutschen Zeitungen an Gaby Wentland am 20. Februar 2014 in Berlin

Es gilt das gesprochene Wort!

Wenn das Wort "Zwangsprostitution" fällt, löst das gewiss bei jedem von uns sofort eine Abwehrreaktion aus. Zwangsprostitution? Das geht gar nicht. Dagegen muss man etwas unternehmen. Ganz klar. Aber nicht ich. Und nicht jetzt. Dafür gibt es Gesetze, es gibt die Polizei. Es gibt die Landeskriminalämter. 

Was ist, wenn das vielleicht nicht reicht? Wer kümmert sich, wenn es eben doch auch in einem reichen und wohlgeordneten Land wie dem unseren und allen Gesetzen zum Trotz Zwangsprostitution gibt? Darüber wollen wir heute Morgen sprechen. Herzlich willkommen zum Bürgerpreis der deutschen Zeitungen.

Herzlich willkommen heiße ich die Damen und Herren Abgeordneten des Deutschen Bundestags.

Eine große Freude ist es darüber hinaus, dass mit Frau Nora Weisbrod auch die letztjährige Trägerin unseres Bürgerpreises, die Gründerin der „Aktion Tagwerk“, eigens zur Preisverleihung aus Mainz angereist ist.

Ganz besonders begrüße ich nun aber den eigentlichen Anlass unserer heutigen Zusammenkunft, unsere Preisträgerin, Frau Gaby Wentland.

In freundschaftlicher Beziehung zu Frau Wentland steht der Laudator unserer Bürgerin des Jahres, der Abgeordnete des Deutschen Bundestags Frank Heinrich. Als Theologe und Sozialpädagoge begleitet er die Arbeit von Frau Wentland mit kritischer Sympathie. Ein herzliches Willkommen auch Ihnen, sehr geehrter Herr Heinrich.

Aber zurück zu unserer Protagonistin heute Morgen: Mit der von ihr gegründeten MISSION FREEDOM kümmern sich Gaby Wentland und ihr Team in Hamburg seit 2011 um Mädchen und Frauen, die auf der dunkelsten Seite der Großstadt gelandet sind – weil sie dem Traum von einem besseren Leben in Deutschland folgten, weil sie in die Fänge von Menschenhändlern gerieten oder weil sie zum Beispiel in Geldnöten steckten. Im MISSION FREEDOM Home können sich die Frauen eine Zeit lang zurückziehen, sich erholen und für ihre Zukunft planen. Das ist ein wichtiges Projekt. Und es ist eines von vielen dieser Art, das wir damit gleichsam stellvertretend würdigen.

Die Wahl zum Bürger oder der Bürgerin des Jahres in den Händen der größten und kompetentesten Jury, die wir aufbieten können – bei den Chefredakteuren an unseren Zeitungen. Wer wüsste wohl besser Bescheid über die Sehnsüchte und Wünsche, die Sorgen und Nöte der Menschen als gerade die Zeitungen und ihre Macher, die Tag für Tag das Zeitgeschehen reflektieren, kommentieren und die im ständigen Dialog mit ihren Lesern stehen? Und das ja längst nicht mehr nur in gedruckter Form, sondern auch online und mobil, 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche.

Als wir im vergangenen September zum vierten Mal die Chefredakteure um Vorschläge für eine mögliche Preisträgerin oder einen Preisträger baten, fielen die Vorschläge erneut ganz unterschiedlich aus.

  • Aus Aachen zum Beispiel war ein Patenprojekt für Flüchtlinge dabei,
  • aus Bonn die Anderi-Hilfe, bei der eine einzelne Frau, Rosi Gollmann, über 50 Jahre unermüdlich ein länderumspannendes Hilfswerk für Indien und Bangladesch ins Leben gerufen hat,
  • Lübeck nominierte die „Praxis ohne Grenzen“, die mittellose Menschen medizinisch betreut
  • und aus Münster wurde der Verein Herzenswünsche vorgeschlagen, der für schwer erkrankte Kinder und Jugendliche in ganz Deutschland Träume wahrmacht.

Und doch entschied sich die Jury, wie mir berichtet wurde, einhellig und einmütig für ein Thema, von dem die Chefredakteure sagten, dass es ganz besonders wichtig sei, dass es auf die Agenda der Politik und der Medien gehöre. Sie entschieden sich für Gaby Wentland und die MISSION FREEDOM in Hamburg, die sich um zwangsprostituierte junge Mädchen und Frauen kümmert, die vor allem aus Rumänien, Bulgarien und Nigeria nach Deutschland gelockt und hier auf den Strich geschickt werden.

Der diesjährige Bürgerpreis ist nicht unumstritten. Das Echo in den Hamburger Medien war nicht nur positiv. Und manchmal frage ich mich inzwischen, sehr geehrte Frau Wentland, ob Sie den Bürgerpreis lieber nicht bekommen und sich damit sicher manchen Ärger erspart hätten? – Wir werden darüber heute noch sprechen.

Unsere Chefredakteure aber hatten – wieder einmal – ein gutes Gespür. Die provozierende Frage, ob Deutschland das Bordell Europas ist, nahm in den zurückliegenden Monaten immer mehr Raum in den Medien ein. Es folgte Alice Schwarzer mit ihrem aufmerksamkeitsstarken Appell gegen Prostitution. Und seither vergeht kaum ein Tag, an dem nicht irgendwo über die Einschränkung des Menschenhandels, die Bestrafung von Freiern oder das Verbot von Prostitution gesprochen und geschrieben wird.

Unsere Zeitungen können dabei eine gar nicht hoch genug zu schätzende Rolle der Vermittlung, Erläuterung und Einordnung spielen.

Download des vollständigen Grußworts als PDF

Preisverleihung an Gaby Wentland